Lingenauer Quelltuff

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(2025)
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Naturlehrpfad

Das Lingenauer Quelltuff ist ein Naturdenkmal in der Gemeinde Lingenau in Vorarlberg und wurde durch einen Naturlehrpfad gut erschlossen.

Lage und Ausdehnung

Das Naturdenkmal liegt in der Parzelle Im Tuff in der unteren Subersachschlucht. Die Kapelle hl. Anna auf dem Felde ist im Nordosten etwa 750 Meter und das Zentrum von Lingenau rund 1200 Meter Luftlinie entfernt. Zum Bodensee im Nordwesten sind es rund 14 Kilometer Luftlinie.

Die Quelltuffbildung erfolgt in Lingenau in diesem Bereich über eine Breite von rund 30 Metern, wo die Quellwasser über eine rund 40 Meter hohe Geländekante austreten.[1] Dieses geologische Vorkommen wird als eine der „großflächigsten Kalksinterbildungen in Europa nördlich der Alpen“ bezeichnet.[2] Weieter Vorkommen von Quelltuff finden sich in Lingenau auch außerhalb des Naturschutzareals (z. B. beim Wanderweg zum Drahtsteg).

Entstehung

Kalktuff, der auch Quelltuff genannt wird, ist ein noch junges, poröses, sekundäres Sediment. Es ist sekundäres Weichgestein, weil es nach chemischer Lösung erneut sedimentiert.

Der Großteil der Gemeindefläche von Lingenau liegt auf einer Gletschermoräne oder nacheiszeitlich gebildeten Schotterflächen. Diese Flächen sind daher sehr wasserdurchlässig und das Gestein, wie im Großteil Vorarlbergs, Großteils kalkhaltig. Das kalkhaltige Wasser, welches an die Oberfläche gelangt, fließt über Moosteppiche, Algenteppiche oder Kolonien von Cyanobakterien. Dadurch wird Kalk abgelagert, weil diese Organismen für die Photosynthese dem Wasser Kohlenstoffdioxid entziehen und der Kalk dadurch ausfällt. Der weitaus größte Anteil des Quelltuffvorkommens in Lingenau wurde von Cyanobakterien der Gattung Rivularia ausgefällt. Der ausgefällte Kalk legt sich um Äste, Steine, kleine Bäume und Kleinstlebewesen und es entstehen ein nach oben wachsendes Gebilde. Bei guten Bedingungen können diese Kalksedimente bis zu 20 mm pro Jahr wachsen. Innerhalb vieler Jahre entstehen so meterhohe Strukturen. Die Kalkausfällung hängt insbesondere vom Grad der Übersättigung an gelöstem Kalk ab und nimmt von der Quelle nach unten hin ab. Das Quellwasser mündet in die Subersach (hier bei 521 m ü. A.) und dann in die Bregenzer Ache und in den Bodensee.[3][4][5]

Kalktuffe zeigen teilweise gleichförmige, mitunter aber auch blumenkohlartige Oberflächen und können teilweise versteinerte Pflanzen und Kleintiere wie z. B. Schnecken enthalten.

Kalktuff ist nicht mit Tuff gleichzusetzen, das vulkanisches Eruptivgestein ist. Kalktuff ist auch von Kalksinter zu unterscheiden, welches durch eine allmähliche mineralische Ablagerung, insbesondere eine Kalkablagerung, entsteht („Versinterung“).

Das Naturdenkmal entstand in der Späteiszeit und wurde 1998 geschützt.[2][6]

Verwendung

Der Quelltuff wurde, trotz seiner hydrologisch schlechten Eigenschaften (zieht Wasser) zum Bau von Gebäuden verwendet. So z. B. teilweise für den Bau Römervilla in Rankweil-Brederis, der Neuburg bei Koblach, der Kapelle hl. Anna auf dem Felde, beim Sparkassengebaude in Dornbirn, bei der Pfarrkirche Damüls oder der Kirche St. Nikolaus in Bludesch und auch bei privaten Gebäuden.[4]

In bruchfeuchtem Zustand können Kalktuffe mit Handsägen oder Messern geformt werden und härten danach aus[4][7] (siehe auch ähnlich Miskeyit). Aufgrund der zahlreichen Poren haben sie gute wärmedämmende und feuerhemmende Eigenschaften.[8]

In Lingenau erfolgte der Abbau von Quelltuff noch in den 1950er-Jahren, wurde dann aber unrentabel, als günstigere moderne Baustoffe zur Verfügung standen.[9]

Wanderweg

Das Quelltuff-Vorkommen ist durch einen gut ausgebauten, etwa 2,5 Kilometer langen, Rundwanderweg erschlossen (Gehzeit etwa 1,5 Stunden). Bei fünf Informationstafeln kann sich der Besucher über die Geologie und Vegetation informieren. Der Wanderweg führt Großteils über Kieswege, Holzstege und -treppen (Holzstege und -treppen können bei Regenwetter sehr rutschig sein).

Es sind nur geringe Anforderungen an die Kondition erforderlich und der Weg kann auch mit kleinen Kindern begangen werden (nicht aber mit Kinderwagen). Der Abstieg vom Ausgangspunkt auf rund 668 m ü. A. schräg vis-à-vis der Kapelle hl. Anna auf dem Felde beträgt etwa 100 Meter.

Hinter der Kapelle hl. Anna auf dem Felde befindet sich beim Hallenbad (Vitalhotel Quellengarten) ein öffentlicher Parkplatz.

Trivia

  • Die Quelltuffvorkommen in Lingenau wurden 2014, bei der Erstausstrahlung der Sendung 9 Plätze – 9 Schätze, zur Abstimmung vorgeschlagen.[2]
  • Der in Tugstein (Hohenems) vorkommende Kalktuff wurde in der Vergangenheit intensiv abgebaut. Weitere Vorkommen finden sich in Andelsbuch und bei Sankt Martin in Ludesch.[4] Im Gegensatz zum Vorkommen von Kalktuff in Lingenau, ist das Vorkommen in Tugstein nicht als Naturdenkmal unter Schutz gestellt. In Deutschland bekannt und untersucht sind einige Vorkommen auf der und am Rand der Schwäbischen und der Fränkischen Alb sowie im Alpenvorland.

Weblinks

 Lingenauer Quelltuff – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons

  • Michael Unterwurzacher, Beate Rüf, Diethard Sanders: Quelltuff in Vorarlberg – Bildung, Verwendung, materialtechnische Eigenschaften In: Vorarlberger Naturschau. Band 19, Dornbirn 2006, S. 219.
  • Naturdenkmal Quelltuff - Lingenau, Webseite: youtube.com.
  • Quelltuff, Webseite: lingenau.at.

Einzelnachweise

  1. Infotafel 4 „Ausblick“ beim Naturlehrpfad.
  2. 2,0 2,1 2,2 Gedanken zum schönsten Ort Vorarlbergs, Webseite: naturschutzanwalt.wordpress.com, abgerufen am 20. Juli 2025.
  3. Wenn aus Wasser Steine werden, Webseite: vorarlberg.travel, abgerufen am 19. Juli 2025.
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 Michael Unterwurzacher, Beate Rüf, Diethard Sanders: Quelltuff in Vorarlberg – Bildung, Verwendung, materialtechnische Eigenschaften. In: Vorarlberger Naturschau. Band 19, Dornbirn 2006, S. 219 (PDF auf ZOBODAT.at.).
  5. Infotafel 2 „Geologie“ und 3 „Vegetation“ beim Naturlehrpfad.
  6. Infotafel 1 „Übersicht“ und 4 „Ausblick“ beim Naturlehrpfad.
  7. Wolfgang Werner, Roman Koch: Kalktuffe. In: Naturwerksteine aus Baden-Württemberg – Vorkommen, Beschaffung und Nutzung. Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Rüsselsheim 2013, S. 317, ISBN 978-3-00-041100-7.
  8. Andreas Kalweit, Christof Paul, Sascha Peters, Reiner Wallbaum (Hrsg.): Handbuch für Technisches Produktdesign: Material und Fertigung. Entscheidungsgrundlagen für Designer und Ingenieure. VDI-Buch. Springer, 2012, ISBN 978-3-642-02641-6, doi:10.1007/978-3-642-02642-3, S. 354
  9. Infotafel 5 „Geschichte“ beim Naturlehrpfad.

47.4417549.911766Koordinaten: 47° 26′ 30″ N, 9° 54′ 42″ O