Ludwig Schenker-Angerer

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Gottfried Schenker-Angerer (um 1923)

Ludwig Gottfried Schenker-Angerer OCist. (*18. August 1895 zu Wien, Österreich-Ungarn; † 8. Jänner 1980 in Heiligenkreuz (Niederösterreich)) war ein österreichischer Speditionskaufmann, Gesellschafter der Firma Schenker & Co sowie nach seiner Pensionierung Ordensmönch in der Zisterzienserabtei Stift Heiligenkreuz im Wienerwald.


Leben

Ludwig Gottfried Schenker-Angerer kam als Gottfried Franz Josef Angerer am Wiener Alsergrund als Sohn des Wiener Schiffsreeders und Juristen August Angerer und dessen in Mainz gebürtige Gattin Maria Gertrude Barbara geb. Schulz im Sommer des Jahres 1895 zur Welt[1]. Seine Taufe nach römisch-katholischem Ritus fand in der Wiener Votivkirche statt, wobei als Taufpate der österreichische Unternehmer Schweizer Herkunft Gottfried Schenker fungierte. Sein Taufpate hatte im selben Jahr gemeinsam mit seinem Vater die Schifffahrts-Gesellschaft Austro-Americana gegründet. Da sein Taufpate Gottfried Schenker keine eigenen Kinder hatte, adoptierte er im November 1896 seinen Geschäftspartner August Angerer und dieser nahm damit den Familiennamen „Schenker-Angerer“ an, welcher auch auf seinem Sohn Gottfried überging[1].

Im Ersten Weltkrieg, an dessen Beginn sein Vater im 49. Lebensjahr[2] und an dessen Ende seine Mutter im 47. Lebensjahr verstarb[3], diente Gottfried Schenker-Angerer im K.u.k. Dragonerregiment „Erzherzog Albrecht“ Nr. 9 und brachte es dort bis zum Oberleutnant.

Nach dem Krieg ehelichte er im April 1919 in der Wiener Pfarre Heiligenstadt seine gleichalterige Braut „Manzi“ Margit Rupp von Nyilhegyi [4], welche 1895 in Budapest als Tochter des dortigen Bezirksvorstandes Ladislaus Rupp von Nyilhegyi und dessen Ehefrau Ilona geborene Süttö von Süttöfalva zur Welt kam. Seine Gattin Margit Schenker-Angerer legte später als Opern- und Konzertsängerin an der Wiener Staatsoper und bei den Salzburger Festspielen bis Mitte der 1930er Jahre eine beachtliche Karriere hin.

Das Ehepaar war gesellschaftlich Mitglied der Wiener Prominenz und wohnte in den 1920er Jahren in ihrer Villa Schenker in Döbling, Hohe Warte Nr. 52. Die Villa, welche als Landhaus vom Architekten Julius Mayreder für den Adoptivvater Gottfried Schenker erbaut worden war, sollte später in den Jahren 1940–1945 als Wohnsitz für den nationalsozialistischen Reichsstatthalter Baldur von Schirach dienen.[5]

Im Jänner 1922 kam die gemeinsame Tochter Maria Helene Margareta Schenker-Angerer im Wiener Sanatorium Löw am Alsergrund in der Pelikangasse zur Welt[6] und wuchs in diesem Anwesen auf. Sie war später mit einem gewissen Herrn Cody in London verheiratet und hatte einen Sohn namens Sebastian. Dieser wurde Autor und veröffentlichte gemeinsam mit dem Wiener Militärhistoriker Erwin Schmidt im Jahre 2023 die Geschichte seines Großvaters im Be&Be Verlag.

Schenker war eine führende Persönlichkeit im Wiener Wirtschafts- und Kunstleben, war Teil zahlreicher Gruppierungen von Freunden und Geschäftsbekannten, sowie ein begeisterter Rotarier. In seinem konservativen und aristokratischen Freundes- und Bekanntenkreis fanden sich Namen wie Schwarzenberg, Esterházy und Liechtenstein. Aber auch kulturelle Größen wie die musikalischen Künstler Leo Slezak und Lotte Lehmann sowie die Tänzerin Tilly Losch sowie Dutzenden von Diplomaten, Unternehmern und künstlerische Kontakte auf der ganzen Welt zählten dazu. Auch waren die meisten seiner Geschäftspartner Juden. Schenker-Angerer's Vater August war vor dem Ersten Weltkrieg mit einem der Brüder von Sigmund Freud Bruder befreundet gewesen.

Als Adolf Hitler 1933 in Deutschland an die Macht kam und in den Folgejahren die deutsche Wirtschaft sich zu erheben begann, glaubte Schenker-Angerer, wie so viele österreichische Industrielle an die Eindämmung der Arbeitslosigkeit und an große wirtschaftliche Verbesserungen und war damit vorerst positiv gegenüber den Nationalsozialismus gestimmt.

Meine Meinung war damals, dass der Nationalsozialismus und die Annexion Österreichs die einzigen Wege waren, unserer unglücklichen Isolation zu entkommen, und dass der vorhergesehene Zusammenbruch dieses Glaubens von mir durch das, was ich von der großen ökonomischen Verbesserung in Deutschland sah, verstärkt wurde.

Gottfried Schenker-Angerer

Schenker-Angerer und seine Frau Margit hatten in der NS-Zeit vertrauensvolle Beziehungen zu Juden und unterhielten auch nach 1933 zahlreichen Kontakt zu zahlreichen jüdischen Firmen. Selbst nichtarische Mitarbeiter, die laut den Nazis gekündigt werden sollten, wurden bei den Schenker-Niederlassungen am Balkan wieder eingestellt. Auch wurden die erzwungenen Arisierungen nur im Schneckentempo vorangetrieben. Nachdem die Nazi-Präsenz in Wien nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland im Jahre 1938 immer deutlicher wurde, wich die anfängliche Begeisterung Schenker-Angerer’s für den Nationalsozialismus und wurde durch die Angst um seine Position, Beschäftigung und um seine Familie ersetzt. Seine ausländischen Niederlassungen arbeiteten indessen im Widerstand mit den Alliierten zusammen.

Nichtsdestotrotz musste Schenker-Angerer in die Wehrmacht einrücken. Im Russlandfeldzug wurde er 1941 verwundet, anschließend befördert und als Militärgeheimdienstoffizier in die neutrale Türkei entsandt, wo er in der Abwehr unter Wilhelm Canaris diente. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Schenker-Angerer 1944 verhaftet und im Konzentrationslager Sachsenhausen als politischer Häftling bis Ende des Krieges im Mai 1945 interniert und kam anschließend in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Da sich seine Gattin zum politischen Widerstand zählte, ereilte sie ein ähnliches Schicksal und kam im Oktober 1944 in Gestapohaft.

Nach dem Krieg wurde Schenker-Angerer in Gmunden verhaftet und als Hochverräter angeklagt[7]. Im Februar 1948 ließ sich das Ehepaar Schenker-Angerer scheiden[4], wobei seine nunmehr geschiedene Frau Margit mit der gemeinsamen Tochter Maria nach London übersiedelte und Schenker-Angerer eine Zeitlang nach Uganda ging.

Nach seiner Pensionierung trat Gottfried Schenker-Angerer 1956 in das Zisterzienserkloster Heiligenkreuz ein, wurde im März 1957 als Novize eingekleidet und erhielt den Ordensnamen „Ludwig“. Seine feierliche Profess legte er am 5. Jänner 1960 ab und wirkte bis zu seinem Tod im Jahre 1980 als Chormönch in diesem Kloster. Das Grab von P. Ludwig Gottfried Angerer befindet sich auf dem Mönchsfriedhof im Stift Heiligenkreuz.

Literatur

Einzelnachweise

Weblinks