Martin Stur
Martin Stur (*30. Oktober 1905 in Pillichsdorf, Niederösterreich; † 30. Mai 1987) war ein österreichischer römisch-katholischer Priester, Jugendseelsorger und Bildungsinitiator. Er engagierte sich in der kirchlichen Jugendarbeit, spielte eine bedeutende Rolle im katholischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus und war nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich am Aufbau kirchlicher Bildungseinrichtungen beteiligt.
Leben
Ausbildung und Priesteramt
Martin Stur wurde am 30. Oktober 1905 als Sohn von Martin Stur (1865-1952) und Theresia Stur (1868-1952) (geb. Liszt aus Großengersdorf) in Pillichsdorf geboren. Er hatte 4 Geschwister: Anna (13.8.1890-?), Maria EIgner (4.2.1897-1963?), Josef Stur (8.9.1899-10.10.1974) und Katharina (6.10.1904-6.4.1984). Nach der Matura im Knabenseminar Hollabrunn und dem Studium der Theologie empfing er am 13. Juli 1930 die Priesterweihe durch Kardinal Friedrich Gustav Piffl im Wiener Stephansdom.[1][2] Am 20. Juli desselben Jahr feierte er seine Primiz in der Pfarrkirche Pillichsdorf. Anschließend promovierte er zum Doktor der Theologie. Bereits früh spezialisierte er sich auf die Jugendseelsorge und war in der Erzdiözese Wien als Domvikar tätig. Am 1. September 1930 wurde er zum Kooperator in Poysdorf ernannt.[3] Sein Engagement zeigt er zum Beispiel ein Theaterspiel zu Weihnachten, dass er mit Kindern und Erwachsenen für sozial benachteiligte Kinder organisierte.[4] Ebenso engagierte er sich bei den Poysdorfer Pfadfindern.[5] Per September 1934 wurde er nach Mauer bei Wien entsendet.[6][7] Wenige Tage danach wurde er von Kardinal Theodor Innitzer zum Sekretär des Reichsbundes der Katholischen deutschen Jugend Österreichs ernannt.[8][9] Im September 1938 wurde er zum Domvikar in den Pfarre St. Stephan bestellt.[10] Am 1. Juli 1943 promovierte er an der Universität zum Dr.theol.[11]
Tätigkeit im Nationalsozialismus
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich 1938 und dem Verbot katholischer Jugendorganisationen setzte sich Stur für den Fortbestand kirchlicher Jugendarbeit ein. Am 7. Oktober 1938 organisierte er unter größter Geheimhaltung eine Rosenkranzandacht im Wiener Stephansdom. Etwa 7.000 Jugendliche nahmen daran teil, wobei die Einladung ausschließlich mündlich erfolgte, um eine Entdeckung durch die Gestapo zu vermeiden.
Die Andacht wurde von Kardinal Theodor Innitzer geleitet, der entgegen vorheriger Absprache eine deutliche Predigt hielt und zur Treue zu Christus aufrief. Stur kommentierte dies mit den Worten: „Der Kardinal predigt! Jetzt ist alles aus!“, was die prekäre Lage widerspiegelte. Die Veranstaltung gilt als bedeutendes Beispiel katholischen Widerstands gegen das NS-Regime in Österreich.[12]
Nachkriegszeit und Bildungsarbeit
Nach 1945 widmete sich Stur dem Aufbau von Bildungseinrichtungen innerhalb der Erzdiözese Wien. im Jahre 1951 wurde er beauftragt ein katholisches Bildungsheim im Schloss Ulrichskirchen zu errichten.[13] 1953 gründete er das Bildungshaus Großrußbach im Schloss Großrußbach|, das er bis 1964 leitete.[14] Die Einrichtung entwickelte sich zu einem zentralen Ort religiöser Erwachsenenbildung in Niederösterreich.
Darüber hinaus war Stur in der Gemeindeseelsorge aktiv, unter anderem in Patzenthal und Paasdorf, wo er mit der Seelsorgehelferin Theresia Weiß zusammenarbeitete, um das kirchliche und gesellschaftliche Leben nachhaltig zu fördern.
Ehrungen
- Mit 6. November 1945 wurde er zum Geistlichen Rat ernannt.[15]
- Martin Stur wurde am 29. Juni 1980, anlässlich des Goldenen Priesterjubiläums zum Ehrenbürger von Pillichsdorf ernannt.[16]
Bedeutung
Martin Stur wird als einer der profiliertesten Jugendseelsorger seiner Zeit in Österreich angesehen. Sein Engagement in der Zeit des Nationalsozialismus sowie seine Pionierarbeit im Bereich der katholischen Erwachsenenbildung machen ihn zu einer prägenden Gestalt der österreichischen Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts.
Weblinks
Fotos zum Schlagwort Martin Stur in der Topothek der Gemeinde/Region Pillichsdorf (Urheberrechte beachten)
Einzelnachweise
- ↑ Dr. Hans Groër: Hundert Jahre Knabenseminar der Erzdiözese Wien. Im Selbstverlag des e.b. Knabenseminars Hollabrunn, Hollabrunn 1956, S. 166.
- ↑ Priesterweihe eines Obersten. In: Reichspost, 10. Juli 1930, S. 8 (online bei ANNO).
- ↑ Chronik der Erzdiözese. In: Wiener Diöcesanblatt / Wiener Diözesanblatt, Heft 9/1930, S. 15 (online bei ANNO).
- ↑ Kindertheater. In: Bote aus Mistelbach. Zeitschrift für Politik, Volks- und Landwirtschaft, Gewerbe und Vereinsleben. Organ der Bezirks-Feuerwehr-Verbände Feldsberg, Laa, Mistelbach, Poysdorf und Zistersdorf / Mistelbacher Bote. Unabhängiges Wochenblatt für den Verwaltungsbezirk Mistelbach und für die Gerichtsbezirke Laa a(n) d(er) Thaya, Mistelbach und Poysdorf. Organ der Bezirks-Feuerwehr-Verbände und der Bezirksfeuerwehr-Unterstützungskassen / Mistelbacher Bote. Aeltestes Wochenblatt für den Verwaltungsbezirk Mistelbach und für die Gerichtsbezirke Laa a(n) d(er) Thaya, Mistelbach und Poysdorf, 1. Jänner 1932, S. 5 (online bei ANNO).
- ↑ Pfadfinderlager. In: Bote aus Mistelbach. Zeitschrift für Politik, Volks- und Landwirtschaft, Gewerbe und Vereinsleben. Organ der Bezirks-Feuerwehr-Verbände Feldsberg, Laa, Mistelbach, Poysdorf und Zistersdorf / Mistelbacher Bote. Unabhängiges Wochenblatt für den Verwaltungsbezirk Mistelbach und für die Gerichtsbezirke Laa a(n) d(er) Thaya, Mistelbach und Poysdorf. Organ der Bezirks-Feuerwehr-Verbände und der Bezirksfeuerwehr-Unterstützungskassen / Mistelbacher Bote. Aeltestes Wochenblatt für den Verwaltungsbezirk Mistelbach und für die Gerichtsbezirke Laa a(n) d(er) Thaya, Mistelbach und Poysdorf, 25. August 1933, S. 7 (online bei ANNO).
- ↑ Personalien. In: Salzburger Kirchenblatt / Salzburger Kirchenblatt. Neue Folge / Katholische Kirchenzeitung vormals („)Salzburger Kirchenblatt(“) / Klerus-Blatt vormals Katholische Kirchenzeitung, 13. September 1934, S. 7 (online bei ANNO).
- ↑ Dienstzuweisung. In: Ostbahn Bote. Illustriertes Wochenblatt für das christliche Volk der Bezirke Schwechat, Bruck a(n) d(er) Leitha, Hainburg und Umgebung / Ostbahn Bote. Illustriertes Wochenblatt der Bezirke Schwechat, Bruck an der Leitha, Hainburg und Umgebung / Ostbahnbote (Wochenblatt für Niederösterreich), 16. September 1934, S. 11 (online bei ANNO).
- ↑ Der neue Sekretär des Reichsbundes der Katholischen deutschen Jugend Österreichs. In: Grazer Volksblatt, 14. September 1934, S. 11 (online bei ANNO).
- ↑ Personalnachrichten. In: Salzburger Chronik für Stadt und Land / Salzburger Chronik / Salzburger Chronik. Tagblatt mit der illustrierten Beilage „Die Woche im Bild“ / Die Woche im Bild. Illustrierte Unterhaltungs-Beilage der „Salzburger Chronik“ / Salzburger Chronik. Tagblatt mit der illustrierten Beilage „Oesterreichische/Österreichische Woche“ / Österreichische Woche / Salzburger Zeitung. Tagblatt mit der illustrierten Beilage „Österreichische Woche“ / Salzburger Zeitung, 15. September 1934, S. 7 (online bei ANNO).
- ↑ Chronik der Erzdözese Wien. In: Reichspost, 22. September 1938, S. 7 (online bei ANNO).
- ↑ Chronik. In: Reichspost, 22. September 1938, S. 7 (online bei ANNO).
- ↑ "Der Kardinal predigt! Jetzt ist alles aus!" In: https://www.ots.at/. APA-OTS, 7. Oktober 2008, abgerufen am 3. Mai 2025.
- ↑ Katholisches Bildungsheim Ulrichskirchen. In: Wiener Diöcesanblatt / Wiener Diözesanblatt, Heft 10/1951, S. 4 (online bei ANNO).
- ↑ Bildungsakademie Weinviertel der Erzdiözese Wiens Beitrag. 30. Oktober 2019, abgerufen am 2. Mai 2025.
- ↑ Personalveränderungen. In: Wiener Diöcesanblatt / Wiener Diözesanblatt, Heft 10/1945, S. 3 (online bei ANNO).
- ↑ Gemeinde, Ehrenbürger, 1980, Msgr. Dr. Martin Stur. In: https://pillichsdorf.topothek.at/. Abgerufen am 50. Mai 2025.