Waisenhaus Mödling: Unterschied zwischen den Versionen

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Kinder und Jugendliche genützt wird.  
Kinder und Jugendliche genützt wird.  
   
   
=== Spiegelgrund, Kindereuthanasie, Waisenhaus ===
=== NS-Zeit ===
Der Spiegelgrund war im 2. Weltkrieg in den Jahren 1940 bis 45 im psychiatrischen Krankenhaus am Steinhof eine eigene kinderpsychiatrische Abteilung. In dieser Abteilung gab es verschieden schwere Erkrankungen der Kinder. Die schwereren waren z. B. Epilepsie, Downsyndrom und Wasserkopf (Kopfverformungen), die mittleren Behinderungen Hör-, Seh-, Sprach- und Körperbehinderungen. Die leichteren Fälle waren überhaupt nur verhaltensauffällige Kinder (im Volksmund: schlimme Kinder). Offiziell war der Spiegelgrund eine Heilanstalt, inoffiziell jedoch eine von Adolf Hitler angeordnete Tötungsmaschinerie für Menschen, die ein „Unwertes Leben“ führen, so stand es damals im Deutschen Reichsgesetz. Diese Kinder wurden sehr bestialischen, sadistischen Qualen ausgesetzt. Da gab es zum Beispiel Tabletten und Giftinjektionen, nach de
Der Spiegelgrund war im [[w:Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] in den Jahren 1940 bis 1945 im [[w:Otto-Wagner-Spital|Psychiatrischen Krankenhaus am Steinhof]] eine eigene kinderpsychiatrische Abteilung. In dieser Abteilung gab es verschieden schwere Erkrankungen der Kinder. Die schwereren waren z. B. Epilepsie, Downsyndrom und Wasserkopf (Kopfverformungen), die mittleren Behinderungen Hör-, Seh-, Sprach- und Körperbehinderungen. Die leichteren Fälle waren überhaupt nur verhaltensauffällige Kinder (im Volksmund: schlimme Kinder). Offiziell war der [[w:Am Spiegelgrund|Spiegelgrund]] eine Heilanstalt, inoffiziell jedoch eine von Adolf Hitler angeordnete Tötungsmaschinerie für Menschen, die ein „Unwertes Leben“ führen, so stand es damals im Deutschen Reichsgesetz. Diese Kinder wurden sehr bestialischen, sadistischen Qualen ausgesetzt. Da gab es zum Beispiel Tabletten und Giftinjektionen, nach denen die Kinder tagelang schwerste körperliche Krämpfe und Durchfall hatten. Oder es gab eine „Eiswasserbehandlung“. Man zog ein Kind nackt aus und zwei Männer drückten es so lange in eine mit eiskaltem Wasser gefüllte Badewanne, bis keine Luftblasen mehr aufstiegen. Man war der Meinung, dass man so den Willen des Kindes brechen könnte. Eine Schwester hat dem Kind das Essen auf den Boden geschüttet und gesagt: „schleck es auf“. Alle Mädchen wurden sterilisiert. Letztendlich wurden die Kinder mit sehr starken Schlafmitteln ermordet. Euthanasie - εὐϑανασία - kommt aus dem Griechischen und bedeutet „schöner Tod“. Ein Affront diesen Kindern gegenüber. Offizielle Todesursache war Lungenentzündung, in Wahrheit wurden die Testate jedoch meist gefälscht und gleich wieder vernichtet. Man hat die Gehirnpräparate und Kinderköpfe angeblich zu Forschungszwecken im Keller des Pavillons gelagert. So wurden auf diese Weise über 800 Kinder getötet. Heute gibt es auf den Steinhofgründen, dem heutigen Otto-Wagner-Spital, eine Gedenkstätte an diese Kinder. Gleich nach dem Krieg wurden die Ärzte und Schwestern zur Verantwortung gezogen. So bekam [[w:Ernst Illing|Ernst Illing]] die Todesstrafe (damals gab es sie noch in Österreich), [[w:Marianne Türk|Marianne Türk]] zehn Jahre, Schwester [[w:Anna Katschenka|Anna Katschenka]] acht Jahre und [[w:Heinrich Gross|Heinrich Gross]] zwei Jahre schweren Kerker. All diese detaillierten Unterlagen sind im Waisenhaus aufgehoben. Daneben eine Liste von rund 100 Kindern, die vom Spiegelgrund in das Waisenhaus überstellt wurden und dadurch dem Tode entronnen sind. Das Waisenhaus war in 2. Weltkrieg keine normale Schule, kein normales Heim. Es war ein Erziehungsheim der Gemeinde Wien für "schwererziehbare Kinder" (Mödling war in dieser Zeit der 24. Wiener Gemeindebezirk). Weiters gibt es sehr detaillierte Aufzeichnungen vom Ende des 2. Weltkrieges. Und zwar haben am 30. März 1945, als die russische Befreiungsarmee bereits in Wiener Neustadt, also knapp vor Mödling war, die Nazis angeordnet, das Waisenhaus zu evakuieren. Angedacht war, dass die Gemeinde Wien Städtische Busse nach Mödling kommen lässt, um die Kinder entweder auf den Spiegelgrund oder in eine Schule in Prackenbach bei Turnau in Niederbayern zu bringen. Nachdem die Busse nicht gleich kamen, hat man zuerst die Lebensmittel mit Pferdefuhrwerken auf den Spiegelgrund gebracht und ein Teil der Kinder musste zu Fuß durch die Wälder zum Spiegelgrund gehen. Spät abends kam dann doch noch zwei Busse, der die Kinder über den Gürtel  
nen die Kinder tagelang schwerste körperliche Krämpfe und Durchfall hatten. Oder es gab eine „Eiswasserbehandlung“. Man zog ein Kind nackt aus und zwei Männer drückten es so lange in eine mit eiskaltem Wasser gefüllte Badewanne, bis keine Luftblasen mehr aufstiegen. Man war der Meinung, dass man so den Willen des Kindes brechen könnte. Eine Schwester hat dem Kind das Essen auf den Boden geschüttet und gesagt: „schleck es auf“. Alle Mädchen wurden sterilisiert. Letztendlich wurden die Kinder mit sehr starken Schlafmitteln ermordet. Euthanasie - εὐϑανασία - kommt aus dem Griechischen und bedeutet „schöner Tod“. Ein Affront diesen Kindern gegenüber. Offizielle Todesursache war Lungenentzündung, in Wahrheit wurden die Testate jedoch meist gefälscht und gleich wieder vernichtet. Man hat die Gehirnpräparate und Kinder-
köpfe angeblich zu Forschungszwecken im Keller des Pavillons gelagert. So wurden auf diese Weise über 800 Kinder getötet. Heute gibt es auf den Steinhofgründen, dem heutigen Otto-Wagner-Spital, eine Gedenkstätte an diese Kinder. Gleich nach dem Krieg wurden die Ärzte und Schwestern zur Verantwortung gezogen. So bekam Dr. Illing die Todesstrafe (damals gab es sie noch in Österreich), Frau Dr. Marianne Türk 10 Jahre, Schwester Anna Katschenka 8 Jahre und Dr. Heinrich Gross 2 Jahre schweren Kerker. All diese detaillierten Unterlagen sind im Waisenhaus aufgehoben. Daneben eine Liste von rund 100 Kindern, die vom Spiegelgrund in das Waisenhaus überstellt wurden und dadurch dem Tode entronnen sind. Das Waisenhaus war in 2. Weltkrieg keine normale Schule, kein normales Heim. Es war ein Erziehungsheim der Gemeinde Wien für "schwererziehbare Kinder" (Mödling war in dieser Zeit der 24. Wiener Gemeindebezirk). Weiters gibt es sehr detaillierte Aufzeichnungen vom Ende des 2. Weltkrieges. Und zwar haben am 30. März 1945, als die russische Befreiungsarmee bereits in Wiener Neustadt, also knapp vor Mödling war, die Nazis angeordnet, das Waisenhaus zu evakuieren. Angedacht war, dass die Gemeinde Wien Städtische Busse nach Mödling kommen lässt, um die Kinder entweder auf den Spiegelgrund oder in eine Schule in Prackenbach bei Turnau in Niederbayern zu bringen. Nachdem die Busse nicht gleich kamen, hat man zuerst die Lebensmittel mit Pferdefuhrwerken auf den Spiegelgrund gebracht und ein Teil der Kinder musste zu Fuß durch die Wälder zum Spiegelgrund gehen. Spät abends kam dann doch noch zwei Busse, der die Kinder über den Gürtel  
nach Steinhof brachte.
nach Steinhof brachte.
    
    
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Der bekannteste Zögling, der das überlebt hat, war Friedrich Zawrel. Er wird 1942 vom Spiegelgrund in das Waisenhaus überstellt, muss aber ein Jahr später wieder auf den Spiegelgrund zurück. Zawrel, ein Kleinkrimineller, ist immer wieder aus dem Spital ausgebrochen. 1975 wird er Primarius Gross am Steinhof wegen eines Gutachtens vorgeführt. Auf die Frage, ob er schon einmal psychiatriert worden sei, antwortet Zawrel: „Herr Doktor, für einen Akademiker haben sie aber ein sehr schlechtes Gedächtnis. […] Herr Doktor, können Sie überhaupt noch gut schlafen? Haben sie schon vergessen die vielen toten Kinder vom Pavil-
Der bekannteste Zögling, der das überlebt hat, war Friedrich Zawrel. Er wird 1942 vom Spiegelgrund in das Waisenhaus überstellt, muss aber ein Jahr später wieder auf den Spiegelgrund zurück. Zawrel, ein Kleinkrimineller, ist immer wieder aus dem Spital ausgebrochen. 1975 wird er Primarius Gross am Steinhof wegen eines Gutachtens vorgeführt. Auf die Frage, ob er schon einmal psychiatriert worden sei, antwortet Zawrel: „Herr Doktor, für einen Akademiker haben sie aber ein sehr schlechtes Gedächtnis. […] Herr Doktor, können Sie überhaupt noch gut schlafen? Haben sie schon vergessen die vielen toten Kinder vom Pavil-
lon 15, haben sie schon die gemarterten und misshandelten Kinder vom Pavillon 17 vergessen?“ Gross fragt Zawrel, ob er noch andere von damals kenne und ob er jemandem davon erzählt habe. Nachdem Zawrel die Fragen verneint – er habe seiner Mutter wegen der jüngeren Geschwister versprochen, nie wieder über den Spiegelgrund zu sprechen – meinte Gross, das ändere die Lage und er verspricht Zawrel in kameradschaftlicher Weise jede gutachterliche Hilfe. Schließlich kommt es Ende 1997 doch noch zu einer Mordanklage gegen Dr. Gross. Er kann sich jedoch wegen angeblicher Demenz dem Prozess und einer Verurteilung entziehen. Zawrel wird 2008 mit dem Goldenen Verdienstzeichen der Stadt Wien ausgezeichnet. 2013 bekommt er das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen. Nach seinem Ableben wird er auf dem Zentralfriedhof in einem Ehrengrab bestattet. In weiterer Folge wird ein Gymnasium in Wien nach ihm benannt.  
lon 15, haben sie schon die gemarterten und misshandelten Kinder vom Pavillon 17 vergessen?“ Gross fragt Zawrel, ob er noch andere von damals kenne und ob er jemandem davon erzählt habe. Nachdem Zawrel die Fragen verneint – er habe seiner Mutter wegen der jüngeren Geschwister versprochen, nie wieder über den Spiegelgrund zu sprechen – meinte Gross, das ändere die Lage und er verspricht Zawrel in kameradschaftlicher Weise jede gutachterliche Hilfe. Schließlich kommt es Ende 1997 doch noch zu einer Mordanklage gegen Dr. Gross. Er kann sich jedoch wegen angeblicher Demenz dem Prozess und einer Verurteilung entziehen. Zawrel wird 2008 mit dem Goldenen Verdienstzeichen der Stadt Wien ausgezeichnet. 2013 bekommt er das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen. Nach seinem Ableben wird er auf dem Zentralfriedhof in einem Ehrengrab bestattet. In weiterer Folge wird ein Gymnasium in Wien nach ihm benannt.
 
=== Der Waisenhausfriedhof auf dem Areal des Eichkogelfriedhofs ===
=== Der Waisenhausfriedhof auf dem Areal des Eichkogelfriedhofs ===
Ein sehr wichtiger Teil der Waisenhausgeschichte ist mit dem Waisenhausfriedhof verbunden. Am 1. Oktober 1886 wurde das Waisenhaus eröffnet und bereits nach nur gut drei Jahren, zu Beginn 1890, starb der erste Waisenhauszögling mit 10 Jahren, den man gleich neben der Waisenhauskirche beerdigt hat. Bis 1904, also 14 Jahre hindurch, sind 35 Zöglinge gestorben, die man alle neben der Kirche begraben hat. Dies wurde ein unhaltbarer Zustand. Schöffel - Hyrtl war zu diesem Zeitpunkt bereits 10 Jahre tot - kaufte daraufhin auf dem Eichkogelfriedhof ein Areal von über 800 m². So knieten im Laufe der Geschichte vor dem Jauneraltar in der Waisenhauskirche sieben verschiedene Kardinäle und Bischöfe, Josef Schöffel war hier aufgebahrt, und 100 Kindersärge standen hier, um sich von ihnen für immer zu verabschieden.  Weitere bekannte Waisenhaus-Zöglinge. Der berühmteste Zögling des Waisenhauses war der Lyriker Josef Weinheber. Er war von 1901 bis 1909 hier. Weinheber hat über diese Zeit ein Buch geschrieben: „Das Waisenhaus“. Und obwohl Hyrtl und Schöffel das Waisenhaus mit viel Liebe beseelt haben, ist es ein sehr schwermütiges Buch, wo von seiner Schwester Amalie, die mit 14 Jahren starb und seinem besten Schulfreund Johann Seifert (in Weinhebers Buch kommt er als Treffeis vor = Seifert von hinten nach vorne gelesen) die Rede ist. Berühmtheit erlangte auch Prof. Rudolf Knarr. Auch er war Waisenhauszögling, hat 20 Jahre lang im Waisenhaus Musik unterrichtet und im Jahre 1936 die Beethoven-Musikschule gegründet, die heute unglaubliche 1.300 Schüler ausbildet. Prof. Knarr wurde auf dem Waisenhausfriedhof beerdigt. Weitere bekannte Zöglinge waren Rechnungshofpräsident Leopold Petznek sowie der Wiener Bankdirektor Paast.
Ein sehr wichtiger Teil der Waisenhausgeschichte ist mit dem Waisenhausfriedhof verbunden. Am 1. Oktober 1886 wurde das Waisenhaus eröffnet und bereits nach nur gut drei Jahren, zu Beginn 1890, starb der erste Waisenhauszögling mit 10 Jahren, den man gleich neben der Waisenhauskirche beerdigt hat. Bis 1904, also 14 Jahre hindurch, sind 35 Zöglinge gestorben, die man alle neben der Kirche begraben hat. Dies wurde ein unhaltbarer Zustand. Schöffel - Hyrtl war zu diesem Zeitpunkt bereits 10 Jahre tot - kaufte daraufhin auf dem Eichkogelfriedhof ein Areal von über 800 m². So knieten im Laufe der Geschichte vor dem Jauneraltar in der Waisenhauskirche sieben verschiedene Kardinäle und Bischöfe, Josef Schöffel war hier aufgebahrt, und 100 Kindersärge standen hier, um sich von ihnen für immer zu verabschieden.  Weitere bekannte Waisenhaus-Zöglinge. Der berühmteste Zögling des Waisenhauses war der Lyriker Josef Weinheber. Er war von 1901 bis 1909 hier. Weinheber hat über diese Zeit ein Buch geschrieben: „Das Waisenhaus“. Und obwohl Hyrtl und Schöffel das Waisenhaus mit viel Liebe beseelt haben, ist es ein sehr schwermütiges Buch, wo von seiner Schwester Amalie, die mit 14 Jahren starb und seinem besten Schulfreund Johann Seifert (in Weinhebers Buch kommt er als Treffeis vor = Seifert von hinten nach vorne gelesen) die Rede ist. Berühmtheit erlangte auch Prof. Rudolf Knarr. Auch er war Waisenhauszögling, hat 20 Jahre lang im Waisenhaus Musik unterrichtet und im Jahre 1936 die Beethoven-Musikschule gegründet, die heute unglaubliche 1.300 Schüler ausbildet. Prof. Knarr wurde auf dem Waisenhausfriedhof beerdigt. Weitere bekannte Zöglinge waren Rechnungshofpräsident Leopold Petznek sowie der Wiener Bankdirektor Paast.

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