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Nach dem Tod von Kaiser Maximilian I. (1519) wurde sein Enkel, der spätere Kaiser [[w:Karl V. (HRR)|Karl V.]], sein Nachfolger als Landesfürst in den Ländern und Herrschaften, die sich zum Teil oder zur Gänze in der heutigen Republik Österreich befanden. Allerdings hatte sich Karl zuvor außerhalb von diesen aufgehalten, zudem hatte es für ihn zunächst Priorität, die Nachfolge im [[w:Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich]] zu sichern. Der Umstand, dass Karl V. nicht sofort vor Ort war oder Maßnahmen setzen ließ, welche in Bezug auf seine zukünftige Herrschaft in den "österreichischen" Ländern für Klarheit gesorgt hätten, schuf eine politisch instabile Lage, welche die Landstände des Herzogtums Österreich "unter der Enns" stärkte und dazu ermutigte, ihre eigenen Interessen nachhaltig zu behaupten und bereits verlorene Machtpositionen zurückzugewinnen. Letztlich wurde versucht, eine eigene Landesordnung zu schaffen, die eine Regierung der Landstände etabliert hätte. | Nach dem Tod von Kaiser Maximilian I. (1519) wurde sein Enkel, der spätere Kaiser [[w:Karl V. (HRR)|Karl V.]], sein Nachfolger als Landesfürst in den Ländern und Herrschaften, die sich zum Teil oder zur Gänze in der heutigen Republik Österreich befanden. Allerdings hatte sich Karl zuvor außerhalb von diesen aufgehalten, zudem hatte es für ihn zunächst Priorität, die Nachfolge im [[w:Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich]] zu sichern. Der Umstand, dass Karl V. nicht sofort vor Ort war oder Maßnahmen setzen ließ, welche in Bezug auf seine zukünftige Herrschaft in den "österreichischen" Ländern für Klarheit gesorgt hätten, schuf eine politisch instabile Lage, welche die Landstände des Herzogtums Österreich "unter der Enns" stärkte und dazu ermutigte, ihre eigenen Interessen nachhaltig zu behaupten und bereits verlorene Machtpositionen zurückzugewinnen. Letztlich wurde versucht, eine eigene Landesordnung zu schaffen, die eine Regierung der Landstände etabliert hätte. | ||
Die oppositionellen Mitglieder der "österreichischen" Landstände, denen es gelungen war, in der Stadt Wien die Macht zu übernehmen, widersetzen sich dem "niederösterreichischen Regiment" | Die oppositionellen Mitglieder der "österreichischen" Landstände, denen es gelungen war, in der Stadt Wien die Macht zu übernehmen, widersetzen sich dem "niederösterreichischen Regiment".<ref name ="gedächtnis">vgl. [https://www.gedaechtnisdeslandes.at/orte/action/show/controller/Ort/ort/wiener-neustadt.html?tx_gdl_gdl%5Bbesonderheit%5D=117&cHash=2448182dd21e8621bb4f9f3c9b8c0d52 "Wiener Neustädter Blutgericht" 1522], Gedächtnis des Landes Niederösterreich.AT, abgerufen am 2. Dezember 2018</ref> Als führende Persönlichkeit dieses sogenannten "neuen Regiments" galt [[Martin Siebenbürger]], Bürgermeister der Stadt Wien.<ref name ="gedächtnis"/> In der Folge wurde das "niederösterreichischen Regiment" aus der Stadt Wien, wo es seinen Sitz hatte, verjagt, und an seiner Stelle bildeten die Landstände Ausschüsse, welche die politische Macht übernahmen. Sie sollten diese provisorisch bis zur tatsächlich Regierungsübernahme von Karl V. oder seinem Bruder Ferdinand I.<ref name ="czeike">vgl. {{Czeike|5|638||Wiener Neustädter Blutgericht}}</ref> | ||
=== Einsetzung des "Obersten Regiments" durch Karl V. === | |||
Eine aus diesen Ausschüssen gebildete Abordnung verhandelte von 6. November bis 16. Dezember 1519 in [[w:Barcelona|Barcelona]] mit Karl V. um die Anerkennung des "neuen Regiments" und die Zusage auf die Bildung einer neuen Regierung in den "österreichischen Erblanden". Karl V. setzte ein "oberstes Regiment" ein, dass am 27. Juli 1519 mit der Vertretung von ihm und seinem Bruder Ferdinand bis zur Ankunft im gesamten Reich betraut wurde. Die Entmachtung des "alten Regiments" in den "österreichischen Erblanden" wurde von ihm still schweigend gebilligt. Das "oberste Regiment" nahm im Jänner und Februar 1520 die Treuegelöbnisse der Herzogtümer Kärnten, Steier und Österreich "ob der Enns" entgegen. Im Juli 1520 leisteten auch die Herzogtümer Österreich "unter der Enns" und Krain ein Treuegelöbnis. Daraufhin wurden die provisorischen ständigen Ausschüsse im September und Oktober aufgelöst.<ref name ="czeike"/> | |||
== | == Das "Wiener Neustädter Blutgericht" == | ||
Nach seinem Eintreffen im Herzogtum Österreich rief | === Der Prozess vor dem "Wiener Neustädter Blutgericht" === | ||
Im April 1521 übertrug Karl V. seinem Bruder Ferdinand I. die Regentschaft über die "österreichischen Erblande". Dieser setzte dort im Juni 1521 eine neue Regierung, den "Hofrat" ein, der seinen Sitz nicht mehr in Wien, sondern stattdessen in [[Graz]] hatte.<ref name ="czeike"/> Nach dessen Ankunft in den den "Österreichischen Erblanden" wurde Ferdinand von den Landständen der Herzogtümer Steier, Kärnten, Krain und Österreich "ob der Enns" anerkannt.<ref name ="czeike"/> | |||
Die Landstände des Herzogtums Österreich "unter der Enns" forderten allerdings eine gerichtliche Untersuchung der Verfehlungen des "alten Regiments". Aus ihrer Sicht war dessen Vertreibung berechtigt gewesen. Indirekt ging es dabei um die Anerkennung ihrer politischen Forderungen nach dem Tod von Kaiser Maximilian gegangen, wozu Ferdinand als neuer Landesfürst nicht bereit war. Nach seinem Eintreffen im Herzogtum Österreich rief er in Wiener Neustadt ein Gericht ein, das unter der Bezeichnung "Wiener Neustädter Blutgericht" in die Geschichte eingegangen ist, und forderte die an der Entmachtung des "Alten Regiments" Beteiligten auf, vor diesem zu erscheinen. Der Prozess wurde vom 10. bis 16. Juli 1522 unter Ferdinands Vorsitz mit landfremden Beisitzern geführt, die Anklage gegen die Führer der Ständeopposition von 1519 vertrat Dr. Johann Schneitpeck, die Verteidigung übernahm Dr. Viktor Gamp. Das am 23. Juli gefällte Urteil ging allerdings auf die Frage, ob das alte Regiment Verfehlungen begangen hätte, nicht wirklich ein, sondern stellte lediglich fest, dass die Erhebung von 1519, unbeschadet ihrer Motive, rechtswidrig gewesen wäre. Die "Wortführer" wurden für Aufruhr und Aneignung des landesfürstlichen Guts, also der unerlaubten Verwaltung von Landeseinkünften während der provisorischen Herrschaft in den Jahren 1519 und 1520 für schuldig befunden. Es endete mit der Verurteilung von diesen, wobei acht Todesurteile wegen Hochverrats gefällt wurden.<ref name ="czeike"/> | |||
=== Die Vollstreckung der Urteile === | |||
Am 9. August 1522 wurden die Adeligen [[w:Michael I. von Eyczing|Michael (I.) von Eytzing]] und [[Johann von Puchheim|Hans (VIII.) von Puchheim]] als Mitglieder des "unterennsischen" Ständeausschusses auf dem Wiener Neustädter Hauptplatz enthauptet<ref name ="gedächtnis"/>. Am 11. August 1522 folgte dann die Enthauptung des Wiener Bürgermeisters [[Martin Siebenbürger]], der früheren Wiener Bürgermeister [[Friedrich Piesch]] und [[Hans Rinner]] und der Wiener Ratsherren [[Stefan Schlagindweit]] und [[Martin Flaschner]]. Alle fünf waren Bürger von Wien und hatten zum Teil dem "revolutionären Bürgerausschuss" von 1519 und zum Teil dem "ständigen Ausschuss" angehört<ref name ="gedächtnis"/>. Vier weitere Wiener Bürger: Sigmund Stainern, Michel Lungl, Wolfgang Schmidinger und Kaspar Reuter, erhielten hohe Geldstrafen.<ref name ="czeike"/> | |||
Schon am 7. August 1522 wurde das [[Gremium der Hausgenossen]] und am 16. August 1522 auch das [[Kollegium der Genannten]] aufgelöst. Am 18. Dezember 1522 ordnete Ferdinand an, dass der Rat der Stadt Wien, der bisher jedes Jahr neu zu wählen gewesen wäre, vorläufig im Amt bleiben sollte. Am 12. März 1526 erließ er eine neue Stadtverfassung für Wien, welche die Handwerker, die an Kopfzahl die Mehrheit des Bürgertums bildeten und revolutionärer Agitation angeblich stets zugänglich gewesen wären, von der Wahl in den inneren Rat ausschloss.<ref name ="czeike"/> | |||
== Diverses == | == Diverses == | ||
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Ein Vergleich mit der politischen Lage und Entwicklung in anderen Ländern im ausgehenden Mittelalter und der beginnende Neuzeit zeigt, dass es sich bei dem "Aufstand", der mit dem "Wiener Neustädter Blutgericht" endete, um eine Auseinandersetzung zwischen Landesfürst und Landständen, Adel und Städte handelte, ein Konflikt, der für diese Zeit charakteristisch ist und der im Herzogtum Österreich letztlich zugunsten des Landesfürsten entschieden wurde. Für die historische Forschung dürfte die Einschätzung und Beurteilung des "Wiener Neustädter Blutgerichtes" stark davon abhängig sein, für welche Seite die Historikerin oder der Historiker Partei selbst ergreifen oder welche politischen, wirtschaftlichen und sozialen Tendenzen gerade vorherrschen. | Ein Vergleich mit der politischen Lage und Entwicklung in anderen Ländern im ausgehenden Mittelalter und der beginnende Neuzeit zeigt, dass es sich bei dem "Aufstand", der mit dem "Wiener Neustädter Blutgericht" endete, um eine Auseinandersetzung zwischen Landesfürst und Landständen, Adel und Städte handelte, ein Konflikt, der für diese Zeit charakteristisch ist und der im Herzogtum Österreich letztlich zugunsten des Landesfürsten entschieden wurde. Für die historische Forschung dürfte die Einschätzung und Beurteilung des "Wiener Neustädter Blutgerichtes" stark davon abhängig sein, für welche Seite die Historikerin oder der Historiker Partei selbst ergreifen oder welche politischen, wirtschaftlichen und sozialen Tendenzen gerade vorherrschen. | ||
== Erinnerungen an das "Wiener Neustädter Blutgericht" von 1522 == | == Erinnerungen an das "Wiener Neustädter Blutgericht" von 1522 == | ||
* In Wiener Neustadt erinnert an das "Wiener Neustädter Blutgericht" ein in der Südost-Ecke des "Grätzels" am Stadtplatz in den Boden eingelassener Stein mit der Jahreszahl 1522.<ref name ="zeitgesch">vgl. [http://www.zeitgeschichte-wn.at/stadt-spaziergaenge/segway-town/pplace/499?pfadid=9 Stadtspaziergang], Zeitgeschichte-WN.AT, abgerufen am 2. Dezember 2018</ref> Im März 2018 wurde | * In Wiener Neustadt erinnert an das "Wiener Neustädter Blutgericht" ein in der Südost-Ecke des "Grätzels" am Stadtplatz in den Boden eingelassener Stein mit der Jahreszahl 1522.<ref name ="zeitgesch">vgl. [http://www.zeitgeschichte-wn.at/stadt-spaziergaenge/segway-town/pplace/499?pfadid=9 Stadtspaziergang], Zeitgeschichte-WN.AT, abgerufen am 2. Dezember 2018</ref> Der Standort des Schafotts auf dem Hauptplatz von Wiener Neustadt ist noch heute durch eine besondere Pflasterung markiert.<ref name ="czeike"/> Im März 2018 wurde außerdem am "Grätzelhaus" eine Gedenktafel angebracht, einerseits zur Erinnerung an die Gründung von Wiener Neustadt im Jahr 1192 und andererseits im Gedenken an die Hinrichtungsstelle des "Wiener Neustädter Blutgerichts".<ref>vgl. Peter Zezula. In: Mein Bezirk.AT, 29. März 2018 [https://www.meinbezirk.at/wiener-neustadt/c-lokales/neue-gedenktafel-zur-stadtgruendung_a2465595 online], abgerufen am 2. Dezember 2018</ref> | ||
== Ausstellungen == | == Ausstellungen == | ||
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* {{Czeike|5|638||Wiener Neustädter Blutgericht}} [https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/content/pageview/1116213 digital] | * {{Czeike|5|638||Wiener Neustädter Blutgericht}} [https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/content/pageview/1116213 digital] | ||
* [[w:Karl Vocelka|Karl Vocelka]] - Anita Traninger (Hrsg.): ''Wien''. Geschichte einer Stadt. Die frühneuzeitliche Residenz (16.-18. Jahrhundert) (= [[w:Peter Csendes|Peter Csendes]] – [[w:Ferdinand Opll|Ferdinand Opll]] (Hrsg.): ''Wien''. Wien. Geschichte einer Stadt. Bd. 2). Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 2003, ISBN 3-205-99267-9, besonders S. 47-63 | * [[w:Karl Vocelka|Karl Vocelka]] - Anita Traninger (Hrsg.): ''Wien''. Geschichte einer Stadt. Die frühneuzeitliche Residenz (16.-18. Jahrhundert) (= [[w:Peter Csendes|Peter Csendes]] – [[w:Ferdinand Opll|Ferdinand Opll]] (Hrsg.): ''Wien''. Wien. Geschichte einer Stadt. Bd. 2). Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 2003, ISBN 3-205-99267-9, besonders S. 47-63 | ||
== Weblinks == | |||
* {{WiWi|Wiener_Neustädter_Blutgericht||Wiener Neustädter Blutgericht}} | |||
== Einzelnachweise == | == Einzelnachweise == |
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