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== Beispiel: Übersetzung des Bildtextes == | == Beispiel: Übersetzung des Bildtextes == | ||
Die im Eingangsbild abgedruckte erste Strophe des Liedes „Lokale Ausdrücke“ bezieht sich - man bedenke die Jahreszahl - auf ungefähr folgende Situation: Ein Herr aus dem [[Bürgertum]] ließ sich spätabends von einer [[Droschke]] | Die im Eingangsbild abgedruckte erste Strophe des Liedes „Lokale Ausdrücke“ bezieht sich - man bedenke die Jahreszahl - auf ungefähr folgende Situation: Ein Herr aus dem [[wp-de:Bürgertum|Bürgertum]] ließ sich spätabends von einer [[wp-de:Droschke|Droschke]] chauffieren und zahlt dem Kutscher nur ein Drittel des geforderten Preises. Der Fahrer hat nun - nicht zuletzt wegen des Standesunterschiedes - kaum eine Möglichkeit, seine Forderung durchzusetzen. Was ihm bleibt, ist, seinem Ärger mit Beschimpfungen Luft zu machen; wobei er gezielt das (vermeintliche) Niveau des Fahrgastes zum Inhalt nimmt. | ||
* ''A Fiaker, der tuat für's Fahrn von an Herrn, bei der Nacht in der Leopoldstadt drei Gulden begehrn'' | * ''A Fiaker, der tuat für's Fahrn von an Herrn, bei der Nacht in der Leopoldstadt drei Gulden begehrn'' | ||
:„Bei der Nacht“ = spät abends/nachts; [[Leopoldstadt]] = Name des 2. Wiener Gemeindebezirkes - einer nicht unbedingt gut [[Leumund|beleumdeten]] Gegend. „Begehren“: der Gebrauch dieses hochdeutschen Wortes ist bereits ironisch gemeint (schließlich steht dem [[Fiaker]] die Bezahlung ja zu). | :„Bei der Nacht“ = spät abends/nachts; [[Leopoldstadt]] = Name des 2. Wiener Gemeindebezirkes - einer nicht unbedingt gut [[wp-de:Leumund|beleumdeten]] Gegend. „Begehren“: der Gebrauch dieses hochdeutschen Wortes ist bereits ironisch gemeint (schließlich steht dem [[Fiaker]] die Bezahlung ja zu). | ||
* ''der Herr sagt: Ich zahl' ein Gulden bloß nur, i glaub', für a Viertelstund fahr'n is das gnua!'' | * ''der Herr sagt: Ich zahl' ein Gulden bloß nur, i glaub', für a Viertelstund fahr'n is das gnua!'' | ||
:„Eine Viertelstunde“: Man kann davon ausgehen (siehe weiter oben: Unter- und Übertreibungen), daß die Fahrt länger als 15 Minuten gedauert hat. | :„Eine Viertelstunde“: Man kann davon ausgehen (siehe weiter oben: Unter- und Übertreibungen), daß die Fahrt länger als 15 Minuten gedauert hat. | ||
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:„Sieh zu, daß du weiterkommst“ = Aufforderung, sich zu entfernen. | :„Sieh zu, daß du weiterkommst“ = Aufforderung, sich zu entfernen. | ||
* ''Du bucklerts Maikäferl mit dem Mehlwurmheferl'' | * ''Du bucklerts Maikäferl mit dem Mehlwurmheferl'' | ||
:„Buckliges Maikäferchen“: Vielleicht ging der Herr ja ein wenig gebeugt; oder er trug einen [[Frack]], dessen Schöße an die Flügeldecken des Insektes gemahnten. Wahrscheinlicher ist allerdings, daß derlei optische Anmutungen vom Sprecher insinuiert werden. „Mehlwurmhäferl“ war ein spöttischer Ausdruck für den [[Zylinder (Hut)|Zylinderhut]]: In einem entsprechenden Gefäß wurden die [[Larve]] | :„Buckliges Maikäferchen“: Vielleicht ging der Herr ja ein wenig gebeugt; oder er trug einen [[wp-de:Frack|Frack]], dessen Schöße an die Flügeldecken des Insektes gemahnten. Wahrscheinlicher ist allerdings, daß derlei optische Anmutungen vom Sprecher insinuiert werden. „Mehlwurmhäferl“ war ein spöttischer Ausdruck für den [[wp-de:Zylinder (Hut)|Zylinderhut]]: In einem entsprechenden Gefäß wurden die [[wp-de:Larve|Larven]] des [[wp-de:Mehlkäfer|Mehlkäfers]] als Nahrung für Stubenvögel gezüchtet. | ||
* ''tua nur g'schwind apasch'n sonst'n kriagst a Flaschn'' | * ''tua nur g'schwind apasch'n sonst'n kriagst a Flaschn'' | ||
:„Abpaschen“ = sich sehr rasch entfernen / das Weite suchen; „Flaschen“ = Ohrfeige. | :„Abpaschen“ = sich sehr rasch entfernen / das Weite suchen; „Flaschen“ = Ohrfeige. | ||
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:„Masl“ = Glück, „eh“ = ohnehin, „auf der Erde“ = am Boden: Also jemand, den das (pekuniäre) Glück bereits verlassen hat. | :„Masl“ = Glück, „eh“ = ohnehin, „auf der Erde“ = am Boden: Also jemand, den das (pekuniäre) Glück bereits verlassen hat. | ||
* ''mit deine Spatzenwad'ln kannst am Schubkarr'n rad'ln'' | * ''mit deine Spatzenwad'ln kannst am Schubkarr'n rad'ln'' | ||
:„Mit deinen Waden, die so dürr wie die eines Spatzen sind, magst du mit einer [[Schubkarre|Scheibtruhe]] Rad fahren“ ... | :„Mit deinen Waden, die so dürr wie die eines Spatzen sind, magst du mit einer [[wp-de:Schubkarre|Scheibtruhe]] Rad fahren“ ... | ||
* ''net mit'n Jukkazeugl, anbrennts Magenbeugl'' | * ''net mit'n Jukkazeugl, anbrennts Magenbeugl'' | ||
:... „aber nicht in einem Fuhrwerk mit schnellen Pferden, du angebranntes Mohnbeugel!“.<br>In diesen zwei Zeilen macht der Sprecher seiner Entrüstung via zunehmend phantasievoller Abschweifungen Luft. „Jucker“ = schnelles Pferd; „Zeugl“ = [[Gespann]]; das Mohnbeugel ist ein beliebtes Süßgebäck (ähnlich dem [[Kipferl]]). | :... „aber nicht in einem Fuhrwerk mit schnellen Pferden, du angebranntes Mohnbeugel!“.<br>In diesen zwei Zeilen macht der Sprecher seiner Entrüstung via zunehmend phantasievoller Abschweifungen Luft. „Jucker“ = schnelles Pferd; „Zeugl“ = [[wp-de:Gespann|Gespann]]; das Mohnbeugel ist ein beliebtes Süßgebäck (ähnlich dem [[Kipferl]]). | ||
* ''i könnt den Wasserratzn ane einepatzen'' | * ''i könnt den Wasserratzn ane einepatzen'' | ||
:„Könnte“ = möchte, würde gerne; „Wasserratte“: Hier eine Steigerung der Beschimpfung „Ratte“ (man beachte auch den scheinbaren [[Akkusativ]] im Artikel); „Einepatzen“ = hineinschlagen. | :„Könnte“ = möchte, würde gerne; „Wasserratte“: Hier eine Steigerung der Beschimpfung „Ratte“ (man beachte auch den scheinbaren [[wp-de:Akkusativ|Akkusativ]] im Artikel); „Einepatzen“ = hineinschlagen. | ||
* ''daß er nimmer zwölfe läuten hört'' | * ''daß er nimmer zwölfe läuten hört'' | ||
:Eigentlich eine Morddrohung: „Er wird es nicht (einmal) mehr hören, wenn die | :Eigentlich eine Morddrohung: „Er wird es nicht (einmal) mehr hören, wenn die Turmuhr Zwölf schlägt“ (also am längsten/lautesten); im Dialekt jedoch nie wirklich ernstgemeint. | ||
Die folgenden beiden Strophen behandeln vergleichbare Situationen: Eine feine Dame am [[Wiener Naschmarkt|Naschmarkt]] erregt den Unmut einer [[ | Die folgenden beiden Strophen behandeln vergleichbare Situationen: Eine feine Dame am [[Wiener Naschmarkt|Naschmarkt]] erregt den Unmut einer [[Standlerin]], und ein [[Hausmeister]] gerät in Ausübung seiner Tätigkeit mit einer noblen Passantin aneinander. Manche der in diesem Lied angeführten Begriffe sind zwar mittlerweile aus dem wienerischen Sprachgebrauch verschwunden - in Tenor und Grundhaltung bleibt es jedoch ein durchaus anschauliches Beispiel. | ||
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