Absturz einer B-17 bei Ratten am 26. Juli 1944

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Am 26. Juli 1944 stürzte im Gemeindegebiet von Ratten (Steiermark) ein amerikanischer Bomber vom Typ Boeing B-17 Fortress der 301. Bomber-Gruppe (419. Staffel) nach einem Luftkampf ab. Das Flugzeug hatte im Verband der 15. US-Luftflotte am Großangriff auf Ostösterreich teilgenommen und war dabei von deutschen Jagdflugzeugen abgeschossen worden.

Abzeichen der 301. Bomber-Gruppe
Ein B-17-Bomber der 301. Bomber-Gruppe
B-17-Bomber der 352. Squadron der 301. Bomber-Gruppe am 24. Juli 1944, also zwei Tage vor dem Großangriff auf Österreich, nach einem Angriff auf Turin.

Das Flugzeug hatte noch alle Bomben an Bord als es in Folge des Angriffes der deutschen Jagdflugzeuge abstürzte. Von den zehn Besatzungsmitgliedern konnten sich vier mit dem Fallschirm retten, sechs andere Crewmitglieder starben bei dem Absturz. Besonders tragisch dabei ist der Fall des Co-Piloten, der zusammen mit einem in Panik geratenen Kameraden absprang, dann aber nicht die Reißleine für den Fallschirm ziehen konnte. 2013 wurde in Ratten unter reger Anteilnahme der Ortsbevölkerung und einem Sohn des Piloten eine Gedenktafel, die an dieses Unglück erinnern soll, enthüllt.

Schicksal der Besatzung der Maschine 42-31625

Crewmitglieder
Funktion Name Dienstgrad Verbleib
Pilot Lilligren James P. Second Lieutenant POW (Prisoner of War)
Co-Pilot Thompson Vernon D. Second Lieutenant KIA (Killed in Action)
Navigator Stever John C. Second Lieutenant KIA
Bombenschütze Tracer Johnnie D. Staff Sergeant KIA
Bordingenieur Longo Richard A. Sergeant POW
Funker Allison Charles J. Staff Sergeant POW
Bordschütze Brenneman Jesse E. Sergeant KIA
Bordschütze Lewis Ira E. Sergeant POW
Bordschütze Herring Herbert J. Sergeant KIA
Bordschütze Bishop Edwin K. Corporal KIA

Ablauf des Abschusses

Berichte von amerikanischen Augenzeugen während des Krieges

Der Missing Aircrew Report (MACR) 7135[1], der üblicherweise innerhalb 48 Stunden nach Abschuss einer Maschine erstellt wurde, enthält die Augenzeugenberichte zweier Besatzungsmitglieder anderer Maschinen:

  • Second Lieutenant Paul E. Gerhart, Bombenschütze von Flugzeug Nr. 186:

„Maschine 42-31625 flog in 2-3-Position in der linken niedrig fliegenden Formation. Um 11.05 Uhr, nachdem das Flugzeug von mehreren Jägern attackiert worden war, bemerkte ich, dass der rechte Flügel zwei große Löcher über zwei Drittel der Länge hatte. Das komplette Ruder sowie fast der gesamte vertikale Stabilisierer waren vollkommen weggeschossen. Der linke Flügel brannte bei Motor Nr. 2. Das Flugzeug ging in eine Drehung nach links über, und bevor es mein Gesichtsfeld verließ, sah ich zwei Fallschirme aus dem Rumpf des Flugzeuges heraus kommen. Die exakten Koordinaten waren 47 Grad 50 Minuten Nord und 15 Grad und 50 Minuten Ost.“

  • Technical Sergeant John C. Cato, Bordingenieur von Flugzeug Nr. 902:

„Der rechte Flügel von Nummer 42-31625 stand in Flammen, als ich zum ersten Mal sah, dass sie in Schwierigkeiten war. Einige Feindflugzeuge griffen sie gerade an. Das Flugzeug fiel hinter die Formation auf die Position 8.30 Uhr zurück. Ich sah drei Fallschirme sicher und vielleicht vier weitere aus dem Flugzeug herauskommen bis ich es nicht mehr sah. Es ist schwer zu schätzen wie die Überlebenschancen der Crewmitglieder waren, aber ich würde die Chancen als gut einschätzen.“

Berichte von Besatzungsmitgliedern nach dem Krieg

Der Pilot James Lilligreen schrieb nach dem Krieg über seine Erlebnisse[2]:

„Ich war ein B-17-Pilot in der 15. US-Luftflotte, 301. Bomber-Gruppe, 419. Squadron. Ich flog am 26. Juli 1944 meine 18. Mission. Wir waren die letzte Gruppe der gesamten 15. Luftflotte. Unser Ziel war das Motorenwerk in Wiener Neudorf in Österreich, südlich von Wien. Kurz nachdem wir die österreichische Grenze überfolgen hatten, wurden wir von 100 feindlichen Fw 190, Me 109 und Me 210 angegriffen, welche uns in Wellen mit 20mm-Kanonen und Maschinengewehren attackierten. Unsere P-51-Eskorte traf nicht zeitgerecht bei unserer Formation ein. Unsere B-17 wurde von vielen 20mm Geschossen getroffen, welche sowohl die Frontsektion als auch den linken Flügel in Brand setzten. Es schien, als ob das gesamte Flugzeug in Flammen stand. Ich hörte später von einem Piloten einer anderen B-17, dass die gesamte Hecksektion unseres Flugzeuges weg geschossen wurde. Von den zehn Crew-Mitgliedern überlebten nur vier. Zusätzlich zum Bordingenieur, der sofort ausstieg, sprang auch der Funker ab, allerdings erlitt er schwere Verbrennungen, dann schaffte es einer der Bordschützen und ich. Ich war auch böse verbrannt, verlor mein Haar und verletzte mir meine Knöchel bei der Landung. Mein Co-Pilot verließ seinen Platz und ging zurück durch die Bombenbucht dem Heck entgegen. Ein Bordschütze weigerte sich zu springen und die Versuche des Funkers und des anderen Bordschützen ihn zum Springen zu bewegen scheiterten. Anscheinend gelang es meinem Co-Piloten ihn aus dem Flugzeug zu bekommen, indem er sich bei ihm anhängte. Es war ihm dadurch aber nicht möglich die Reißleine seines Fallschirmes zu ziehen. Mein Co-Pilot wurde tot auf dem Boden gefunden, mit einer Person, vermutlich dieser Bordschütze, die sich an ihn klammerte. Als ich mit meinem Fallschirm niederschwebte, begann mich eine Fw 190 zu umkreisen. Ich war mir sicher, dass er mich erschießen wollte, wie sie es schon mit anderen gemacht hatten. Als mich die Fw 190 umkreiste, tauchte hinter ihr eine P-51 auf. Ich hörte eine Explosion und die P-51 flog mit wackelnden Flügel vorbei, um mich wissen zu lassen, dass alles okay war. Ich glaube, ich verdanke ihm mein Leben. Die P-51 kam von der 332. Squadron der Tuskegee Airman, die uns zu Hilfe kamen nachdem unsere eigene Eskorte nicht angekommen war. Den Rest des Krieges verbrachte ich im Kriegsgefangenenlager Stalag Luft I in Barth in Deutschland. Die Rote Armee befreite uns und wir wurden mit B-17 zum Camp Lucky Strike nach Frankreich ausgeflogen, für unsere Rückkehr in die USA. Es hatte einige Wochen gedauert, dass uns die Russen freiließen und erst kürzlich erfuhren wir, dass die Russen uns nach Russland schicken wollten, damit wir dort helfen sollten ihr Land wieder aufzubauen. Am 10. August 1945 heiratete ich Lois Erickson. Wir waren schon verlobt bevor ich nach Übersee verschickt wurde. Wir hatten eine wundervolle Hochzeit. Wir haben zwei Töchter, einen Sohn, eine Pflegetochter und acht Enkelkinder. Wir lebten 32 Jahre lang in Manhattan Beach in Kalifornien und zogen 1979 nach Fresno um. Wir sind in Pension, genießen unsere Enkelkinder und reisen jeden Sommer in unserem Wohnwagen.“

James Lilligreen starb am 26. Juni 2009 im Alter von 88 Jahren in Long Beach. Am 2. Juli fand er auf dem Riverside National Cemetery seine letzte Ruhestätte. Unter den Trauergästen war auch sein ehemaliger Bordschütze Ira Lewis.[3]

Berichte aus deutschen Quellen

Berichte deutscher Dienststellen

Der Missing Aircrew Report (MACR) 7135[1] enthält Informationen, die von aus deutschen Quellen stammen, wie zum Beispiel Ort und Zeit der Gefangennahme der überlebenden Besatzungsmitglieder:

  • Charles Allison um 12.50 Uhr in Waldbach
  • Ira Lewis um 13.15 Uhr in Wenigzell
  • James Lilligreen um 12.50 Uhr in Waldbach

Augenzeugenberichte

Der Lokalhistoriker Christan Arzberger hat im Zuge seiner Recherchen eine Reihe von Augenzeugen in Ratten ermittelt:[2]

  • Frau Cäcilia Doppelhofer saß neben einem Crewmitglied in ihrem Haus. Ihre Mutter versorgte den Soldaten mit Essen und wurde daraufhin von einem Nachbarn angezeigt. Sie erinnerte sich, dass der Luftwaffensoldat mit einem Fallschirm im nahe gelegenen Haus gelandet war. Er entledigte sich des Fallschirmes und kam dann in die Nähe des Hauses. Der Amerikaner wurde dann später von den Behörden verhaftet. Aufgrund der Nähe des Landeplatzes des Soldaten zur Aufschlagstelle des Bombers gehörte dieser vermutlich zu Lilligreen-Crew. Frau Doppelhofer erinnerte sich recht gut an den Soldaten und identifizierte ihn im Jahre 2008 auf einem Foto der Crew als James Lilligreen. Unter Umständen bezieht sich der Text auf der Gedenktafel, die 2013 auf dem Friedhof von Ratten installiert wurde, auf die Familie Doppelhofer.

Die Absturzstelle heute

An der ehemaligen Absturzstelle erinnert heute nichts mehr an die Tragödie vor 70 Jahren. Das Wrack wurde längst entfernt, eventuell würde man noch kleinere Metallteile bei einer genaueren Untersuchung im Boden finden.

Anbringung einer Gedenktafel im Jahr 2013

69 Jahre nach dem Absturz wurde auf dem Friedhof der Gemeinde Ratten eine Gedenktafel enthüllt. Dank der Recherchen von Christian Arzberger, der auch die anderen Flugzeugabstürze der 301. Bomber-Gruppe in der Steiermark untersuchte, konnten die Angehörigen der Besatzungsmitglieder ausfindig gemacht werden. Der Sohn des inzwischen verstorbenen Piloten James Lilligren, Tim Lilligren, nahm mit seiner Familie und Freunden an der Feier teil. Auch der amerikanische Militärattaché Scott Ogledzinski sowie Abordnungen des Österreichischen Kameradschaftsbundes wohnten der Zeremonie bei.[4][5][6]

Die Gedenktafel trägt die Inschrift:

„I will always be grateful to the family that helped me with my injuries and for the kindness they showed during those difficult times. Lt. James Lilligreen, January 2008“

„Ich werde immer jener Familie dankbar sein, die mir bei meiner Verwundung half und für ihre Freundlichkeit, die sie mir in diesen schweren Zeiten entgegenbrachte. Lt. James Lilligreen, Jänner 2008“

Übersicht über die Verluste der 301. Bomber-Gruppe

An diesem Tag wurden insgesamt elf B-17-Bomber der 301. Bomber-Gruppe abgeschossen. 66 Besatzungsmitglieder fanden dabei den Tod, 43 weitere gerieten in Gefangenschaft. Zu diesen Opfern könnten eventuell noch Tote und Verwundeten in den 15 verbleibenden Flugzeugen kommen, die den Angriff fortsetzten und zur Heimatbasis zurückkehrten.

Die folgende Tabelle zeigt die wichtigsten Daten zu diesen abgestürzten Maschinen und enthält Links zu den einzelnen Detailseiten:

Ereignis MACR - Uhrzeit Absturzstelle Typ/Seriennummer MACR Einheit KIA POW
19440726/B-17/42-31652 11.05 Uhr Stinatz B-17/42-31652
7136
[7]
301. Bomber-Gruppe/353. Squadron
3
6
19440726/B-17/Alland 11.18 Uhr Alland B-17/42-30385
7000
[8]
301. Bomber-Gruppe/353. Squadron
9
1
19440726/B-17/Alland 11.18 Uhr Alland B-17/42-102929
7143
[9]
301. Bomber-Gruppe/352. Squadron
8
2
19440726/B-17/42-102915 11.05 Uhr Langenwang B-17/42-102915
7123
[10]
301. Bomber-Gruppe/419. Squadron
6
4
19440726/B-17/44-6189 11.10 Uhr Reichenau an der Rax B-17/44-6189
7141
[11]
301. Bomber-Gruppe/32. Squadron
3
6
19440726/B-17/42-31625 11.05 Uhr Ratten B-17/42-31625
7135
[1]
301. Bomber-Gruppe/419. Squadron
6
4
19440726/B-17/St.Jakob 11.10 Uhr Sankt Jakob im Walde B-17/42-32107
7129
[12]
301. Bomber-Gruppe/419. Squadron
3
7
19440726/B-17/St.Jakob 11.10 Uhr Sankt Jakob im Walde B-17/42-3157
7138
[13]
301. Bomber-Gruppe/32. Squadron
5
5
19440726/B-17/42-31523 11.05 Uhr St. Kathrein am Hauenstein B-17/42-31523
7127
[14]
301. Bomber-Gruppe/419. Squadron
8
2
19440726/B-17/Strallegg 11.10 Uhr Strallegg B-17/42-102913
7124
[15]
301. Bomber-Gruppe/32. Squadron
7
3
19440726/B-17/Strallegg 11.05 Uhr Strallegg B-17/44-6168
7142
[16]
301. Bomber-Gruppe/352. Squadron
8
2
Summe:
66
43

Weblinks

siehe auch: Liste der abgeschossenen alliierten Flugzeuge im 2. Weltkrieg

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Scan von MACR 7135, Webseite http://www.fold3.com/, abgerufen am 14. November 2014
  2. 2,0 2,1 July, 26th 1944 ... western of St. Jakob im Walde, Webseite www.301bg.com, abgerufen am 12. Dezember 2014
  3. James P. Lilligren (1922 - 2009), Webseite www.legacy.com, abgerufen am 13. Dezember 2014
  4. US Air Force Gedenktafel 2013, Webseite www.okb.at, abgerufen am 13. Dezember 2014
  5. Gedenktafel enthüllt, Webseite www.meinbezirk.at, abgerufen am 13. Dezember 2014
  6. Gedenken an US-Soldaten, Webseite www.kleinezeitung.at, abgerufen am 13. Dezember 2014
  7. Scan von MACR 7136, Webseite http://www.fold3.com/, abgerufen am 14. November 2014
  8. Scan von MACR 7000, Webseite http://www.fold3.com/, abgerufen am 14. November 2014
  9. Scan von MACR 7143, Webseite http://www.fold3.com/, abgerufen am 14. November 2014
  10. Scan von MACR 7123, Webseite http://www.fold3.com/, abgerufen am 14. November 2014
  11. Scan von MACR 7141, Webseite http://www.fold3.com/, abgerufen am 14. November 2014
  12. Scan von MACR 7129, Webseite http://www.fold3.com/, abgerufen am 14. November 2014
  13. Scan von MACR 7138, Webseite http://www.fold3.com/, abgerufen am 9. Dezember 2014
  14. Scan von MACR 7127, Webseite http://www.fold3.com/, abgerufen am 14. November 2014
  15. Scan von MACR 7124, Webseite http://www.fold3.com/, abgerufen am 14. November 2014
  16. Scan von MACR 7142, Webseite http://www.fold3.com/, abgerufen am 14. November 2014