Jüdische Gemeinde Oberwart: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Von der Entstehung der Gemeinde bis zur Zerschlagung durch den Nationalsozialismus ===
=== Von der Entstehung der Gemeinde bis zur Zerschlagung durch den Nationalsozialismus ===
==== Erste Anfänge im 19. Jahrhundert ====
Wann sich die ersten Juden in Oberwart niederließen ist genau nachweisbar. In statistischen Aufzeichnungen über die jüdische Bevölkerung, den "Conscriptiones Judaerum", wurde zum ersten Mal 1822 ein jüdischer Bewohner, [[Leopold Österreicher]], erwähnt. Diese ersten Juden stammten aus der jüdischen Gemeinde Schlaining, die ins wenige Kilometer entfernte Oberwart umzogen.<ref name="mindler23">Ursula Mindler: ''Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör'', edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 23</ref>   
Wann sich die ersten Juden in Oberwart niederließen ist genau nachweisbar. In statistischen Aufzeichnungen über die jüdische Bevölkerung, den "Conscriptiones Judaerum", wurde zum ersten Mal 1822 ein jüdischer Bewohner, [[Leopold Österreicher]], erwähnt. Diese ersten Juden stammten aus der jüdischen Gemeinde Schlaining, die ins wenige Kilometer entfernte Oberwart umzogen.<ref name="mindler23">Ursula Mindler: ''Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör'', edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 23</ref>   


Um 1850 lebten vierzehn jüdische Mitbürger in Oberwart. Diese Zahl steigerte sich in den Jahren bis 1900 auf 100 Menschen. Ein wichtiger Grund dafür war die Erhebung Oberwarts 1841 zum [[w:Marktgemeinde|Markt]]. Während alle anderen jüdischen Gemeinden von 1900 bis 1934 einen Rückgang bei der Bevölkerungszahl verzeichneten, stieg hingegen die jüdische Einwohnerzahl von Oberwart weiterhin. Ein Großteil dieser Menschen stammte aus der Muttergemeinde Schlaining, die wegen der dortigen beengten Verhältnisse und der geringen Verdienstmöglichkeiten in das aufstrebende Oberwart übersiedelten.<ref name="mindler2627">Ursula Mindler: ''Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör'', edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 26 und 27</ref>     
Um 1850 lebten vierzehn jüdische Mitbürger in Oberwart. Diese Zahl steigerte sich in den Jahren bis 1900 auf 100 Menschen. Ein wichtiger Grund dafür war die Erhebung Oberwarts 1841 zum [[w:Marktgemeinde|Markt]]. Während alle anderen jüdischen Gemeinden von 1900 bis 1934 einen Rückgang bei der Bevölkerungszahl verzeichneten, stieg hingegen die jüdische Einwohnerzahl von Oberwart weiterhin. Ein Großteil dieser Menschen stammte aus der Muttergemeinde Schlaining, die wegen der dortigen beengten Verhältnisse und der geringen Verdienstmöglichkeiten in das aufstrebende Oberwart übersiedelten.<ref name="mindler2627">Ursula Mindler: ''Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör'', edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 26 und 27</ref>     


==== Emanzipation von der Muttergemeinde Schlaining ====
Während Schlaining im 19. Jahrhundert als Kultusgemeinde von den jüdischen Bewohnern von Oberwart, [[Pinkafeld]], [[Bad Tatzmannsdorf]] und [[Großpetersdorf]] entsprechenden Kultussteuern einhob, wurde die Unzufriedenheit der Oberwarter Juden gegenüber ihren Schlaininger Glaubensbrüdern immer größer. 1904, als in Oberwart die Synagoge erbaut wurde, überstieg ihre Anzahl bereits jene in der Muttergemeinde. Heftige Streitereien kennzeichneten das Verhältnis der beiden Gemeinden in den nächsten Jahren. 1910 schloss die Oberwarter Gemeinde einen steuerlichen Sondervertrag mit ihrer Muttergemeinde, wodurch sich wiederum die Steuerlast für die Juden in den anderen Gemeinden des Bezirkes Oberwart erhöhte. Der Niedergang der einst bedeutenden Judengemeinde von Schlaining ging auch in den nächsten Jahren weiter, sodass sich 1923 der Schlaininger [[w:Rabbiner|Rabbiner]] [[Felix Blau]] gezwungen sah, ebenfalls nach Oberwart zu übersiedeln.<ref name="mindler3034">Ursula Mindler: ''Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör'', edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 30 bis 34</ref>   
Während Schlaining im 19. Jahrhundert als Kultusgemeinde von den jüdischen Bewohnern von Oberwart, [[Pinkafeld]], [[Bad Tatzmannsdorf]] und [[Großpetersdorf]] entsprechenden Kultussteuern einhob, wurde die Unzufriedenheit der Oberwarter Juden gegenüber ihren Schlaininger Glaubensbrüdern immer größer. 1904, als in Oberwart die Synagoge erbaut wurde, überstieg ihre Anzahl bereits jene in der Muttergemeinde. Heftige Streitereien kennzeichneten das Verhältnis der beiden Gemeinden in den nächsten Jahren. 1910 schloss die Oberwarter Gemeinde einen steuerlichen Sondervertrag mit ihrer Muttergemeinde, wodurch sich wiederum die Steuerlast für die Juden in den anderen Gemeinden des Bezirkes Oberwart erhöhte. Der Niedergang der einst bedeutenden Judengemeinde von Schlaining ging auch in den nächsten Jahren weiter, sodass sich 1923 der Schlaininger [[w:Rabbiner|Rabbiner]] [[Felix Blau]] gezwungen sah, ebenfalls nach Oberwart zu übersiedeln.<ref name="mindler3034">Ursula Mindler: ''Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör'', edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 30 bis 34</ref>   


Der Streit zwischen beiden Gemeinden war damit aber nicht beendet sondern wurde nun unter Einschaltung der Behörden weiter verschärft. 1927 erließ die [[w:Bezirkshauptmannschaft|Bezirkshauptmannschaft]] einen Bescheid mit dem die bisherige Filialgemeinde Oberwart zu einer selbständigen Kultusgemeinde umgewandelt wurde. Im August 1929 erfolgte von Behördenseite die Auflösung der Schlaininger Kultusgemeinde, während Oberwart schließlich am 23. Mai 1930 offiziell von der Bezirkshauptmannschaft zur Israelitische Kultusgemeinde Oberwart/Felsöör erhoben wurde. Die Oberwarter Gemeinde war nun auch für die jüdischen Bewohner von [[Markt Allhau]], Bad Tatzmannsdorf, [[Bernstein (Burgenland)|Bernstein]], Großpetersdorf, [[Kohfidisch]], [[Oberschützen]], Pinkafeld, [[Rotenturm an der Pinka]], Schlaining sowie zeitweise auch [[Rechnitz]] zuständig.<ref name="mindler3536">Ursula Mindler: ''Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör'', edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 35 und 36</ref>
Der Streit zwischen beiden Gemeinden war damit aber nicht beendet sondern wurde nun unter Einschaltung der Behörden weiter verschärft. 1927 erließ die [[w:Bezirkshauptmannschaft|Bezirkshauptmannschaft]] einen Bescheid mit dem die bisherige Filialgemeinde Oberwart zu einer selbständigen Kultusgemeinde umgewandelt wurde. Im August 1929 erfolgte von Behördenseite die Auflösung der Schlaininger Kultusgemeinde, während Oberwart schließlich am 23. Mai 1930 offiziell von der Bezirkshauptmannschaft zur Israelitische Kultusgemeinde Oberwart/Felsöör erhoben wurde. Die Oberwarter Gemeinde war nun auch für die jüdischen Bewohner von [[Markt Allhau]], Bad Tatzmannsdorf, [[Bernstein (Burgenland)|Bernstein]], Großpetersdorf, [[Kohfidisch]], [[Oberschützen]], Pinkafeld, [[Rotenturm an der Pinka]], Schlaining sowie zeitweise auch [[Rechnitz]] zuständig.<ref name="mindler3536">Ursula Mindler: ''Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör'', edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 35 und 36</ref>
==== Jüdisches Leben in Oberwart ====
Anders als in vielen europäischen Städten und Dörfern gab es in Oberwart kein Ghetto sondern die jüdischen Bewohner lebten verstreut in der Siedlung, meist jedoch entlang der Hauptstraße. Dies mag unter anderem dadurch begründet sein, dass die meisten Juden erst zu einer Zeit nach Oberwart kamen, als sie rechtlich bereits allen anderen Bürgern gleichgestellt waren. Die Tatsache, dass vier Konfessionen friedlich zusammenlebten zeugte aber auch von einer gewissen Toleranz der Oberwarter. Die jüdischen Kinder wurden in der evangelischen Schule unterrichtet, es gab im Alltag viele Berührungspunkte zwischen Juden und Nichtjuden. Diese waren nicht nur geschäftlicher Natur sondern man fand auch auf gesellschaftlicher Ebene, zum Beispiel in den Vereinen der Ortschaft, zueinander. Vereinzelt gab es auch Mischehen zwischen Evangelischen und Juden.
Dieses friedliche Zusammenleben bekam die ersten Risse als nach der [[Zeugnisse der Landnahme des Burgenlandes|Landnahme des Burgenlandes]] sich eine deutschsprachige Verwaltungselite ansiedelte. Diese Personengruppe, die Jahre später die Keimzelle der [[w:NSDAP|NSDAP]] in Oberwart bildete, hatte nicht nur mit den Juden ein Problem sondern vor allem mit der ungarischen Volksgruppe. Da viele jüdischen Bewohner Oberwarts sich Ungarn verpflichtete fühlten, wurden sie von angesiedelten Verwaltungsbeamten einer ungarischen Elite gleichgesetzt. Die Risse machten sich zuerst in der Vereinslandschaft von Oberwart bemerkbar, weil auf einem Sprache und Religion zu Aufnahmekriterien erklärt wurden und es zu Spaltungen bzw. Neugründungen diverser Vereine kam.


== Opferbilanz des Holocausts ==
== Opferbilanz des Holocausts ==
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