Waisenhaus Mödling: Unterschied zwischen den Versionen

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== Geschichte ==
== Geschichte ==
=== Vorgeschichte ===
=== Vorgeschichte ===
Begonnen hat es im Jahre 1885 mit Josef Schöffel und Prof. Dr. Josef Hyrtl. Schöffel - ein äußerst kapriziöser, eigenwilliger Bürgermeister - hat sich sehr für Mödling eingesetzt. 1885 war er allerdings seit über 2 Jahren nur mehr einfaches Gemeinderatsmitglied im Rathaus. Schöffel hat 1891 die einzige Ehrung vom Land Niederösterreich bekommen, die je in dieser Form gemacht hat: eine Medaille von Jauner mit dem Bildnis des Waisenhauses.  
Begonnen hat es im Jahre 1885 mit [[Josef Schöffel]] und Josef Hyrtl. Schöffel - ein äußerst kapriziöser, eigenwilliger Bürgermeister - hat sich sehr für Mödling eingesetzt. 1885 war er allerdings seit über zwei Jahren nur mehr einfaches Gemeinderatsmitglied im Rathaus. Schöffel hat 1891 die einzige Ehrung vom Land Niederösterreich bekommen, die das Land Niederösterreich je in dieser Form gemacht hat, eine Medaille von [[w:Heinrich Jauner|Heinrich Jauner]] mit einem Bildnis des Waisenhauses.  


Josef Hyrtl war einer der berühmtesten Anatomen seiner Zeit, manche meinen im gesamten deutschsprachigen Raum, manche sogar weltweit. Wenn der Kaiser eine Frage zum Thema Anatomie hatte, fragte er Dr. Hyrtl. Dieser war dadurch äußerst angesehen und enorm reich. Er investierte allein in das Waisenhaus insgesamt 600.000,-- Gulden (das sind in etwa 5,5 Millionen heutige EUR). Nachdem Hyrtl keine Kinder hatte, überlegte er sich im späteren Alter, was er sinnvoll mit seinem Geld machen könnte. Da richtete er zuerst einmal auf der Wiener Universität wo er unterrichtete eine Stiftung von 40.000,-- Gulden österreichische Goldrente ein mit der Widmung, dass von den Zinsen vier Studenten ein Stipendium erhalten sollten. Als er diese ein Jahr später aufsuchen wollte musste er feststellen, dass die Studenten nie Geld gesehen haben,  
Josef Hyrtl war einer der berühmtesten Anatomen seiner Zeit, manche meinen im gesamten deutschsprachigen Raum, manche sogar weltweit. Wenn der [[w:Franz Joseph I.|Kaiser]] eine Frage zum Thema Anatomie hatte, fragte er Hyrtl. Dieser war dadurch äußerst angesehen und enorm reich. Er investierte allein in das Waisenhaus insgesamt 600.000,- [[w:Österreichischer Gulden|Gulden]] (5,5 Millionen Euro). Nachdem Hyrtl keine Kinder hatte, richtete zuerst einmal auf der [[w:Universität Wien|Wiener Universität]], wo er unterrichtete, eine Stiftung von 40.000,-- Gulden österreichische Goldrente mit der Widmung ein, dass von den Zinsen vier Studenten ein Stipendium erhalten sollten. Als er diese ein Jahr später aufsuchen wollte musste er feststellen, dass die Studenten nie Geld gesehen hatten, weil die Erträge gesetzlich erst nach vier Jahren ausbezahlt werden mussten und die Universität dieses Geld zum Stopfen von Finanzlöchern verwendet hatte. Der darüber verärgerte Hyrtl - er nannte es einen „Seeräuberstaat“ - avisierte ein ähnliches Projekt in Deutschland, in Heidelberg an.
weil die Erträge gesetzlich erst nach vier Jahren ausbezahlt werden müssen und die Universität dieses Geld zum Stopfen von Finanzlöchern verwendet hatte. Hyrtl war darüber sehr verärgert
 
(er nannte es einen „Seeräuberstaat“) und avisierte ein ähnliches Projekt in Deutschland, in Heidelberg. Da kam nun sein Freund Josef Schöffel auf ihn zu und meinte, er solle doch in Mödling die Errichtung eines Waisenhauses finanzieren. Nun kann man nachvollziehen, dass Hyrtl mittlerweile ein gebranntes Kind war und Angst hatte, dass das Geld wieder irgendwo in unsichtbaren Kanälen versickert. Schöffel versprach ihm, sich darum zu kümmern. Schöffel ging daraufhin zu seinem Freund, dem Statthalter von Niederösterreich, Baron Possinger, der meinte, er solle doch einen Verein gründen. Denn Erträge von Vereinen müssen, im Gegensatz zu Stiftungen, zweckgebunden verwendet werden. Er werde dann das Restliche regeln. Hyrtl stimmte diesem Projekt schließlich zu. 1888 wurde dieser Verein dann doch in eine Stiftung umgewandelt. Zum  
Als sein Freund Josef Schöffel auf ihn zukam und meinte, dass er doch in Mödling die Errichtung eines Waisenhauses finanzieren sollte. Einmal geschädigt, versprach Schöffel ihm, sich darum zu kümmern um einen korrekten Ablauf des Projektes zu kümmern.  
Glück erwirkte dann im Jahre 1901 Joseph Schöffel mit Unterstützung des Ministerpräsidenten Körber ein Gesetz, das die Verwendung von Überschüssen der kumulativen Waisenkassen für  
 
Auf den Rat von Statthalter von Niederösterreich, Heinrich Baron von Possinger gründete Schöffel einen Verein, womit gewährleistet sei, dass die Gelder zweckgebunden verwendet würden. Dieser wurde 1889 aber in eine Stiftung umgewandelt.
 
Zum Glück erwirkte dann im Jahre 1901 Joseph Schöffel mit Unterstützung des Ministerpräsidenten Körber ein Gesetz, das die Verwendung von Überschüssen der kumulativen Waisenkassen für  
die Erziehung und Ernährung armer Waisen beschloss. Geregelt wurde im Waisenkassengesetz die Veranlagung und Verwaltung der Vermögen von minderjährigen Waisen durch k.k. Gerichte  
die Erziehung und Ernährung armer Waisen beschloss. Geregelt wurde im Waisenkassengesetz die Veranlagung und Verwaltung der Vermögen von minderjährigen Waisen durch k.k. Gerichte  
bzw. Finanzämter bis zur Volljährigkeit. Die Überschüsse in den Waisenkassen waren gar nicht erwartet worden und deren Schicksal blieb deshalb ungeregelt. Als quasi herrenloses Vermögen  
bzw. Finanzämter bis zur Volljährigkeit. Die Überschüsse in den Waisenkassen waren gar nicht erwartet worden und deren Schicksal blieb deshalb ungeregelt. Als quasi herrenloses Vermögen  
erregten sie die Begierde verschiedenster Stellen, das k.k. Justizministerium wollte beispielsweise die Überschüsse zum Bau von Gerichten in Galizien verwenden.  Schöffel erreichte nun, dass diese Gelder zur Finanzierung von Waisenhausplätzen verwendet wurden, darunter 300 Plätze im Hyrtl’schen Waisenhaus in Mödling.  
erregten sie die Begierde verschiedenster Stellen, das k.k. Justizministerium wollte beispielsweise die Überschüsse zum Bau von Gerichten in Galizien verwenden.  Schöffel erreichte nun, dass diese Gelder zur Finanzierung von Waisenhausplätzen verwendet wurden, darunter 300 Plätze im Hyrtl’schen Waisenhaus in Mödling.
 
=== Entstehung ===
=== Entstehung ===
Angedacht war ein Haus für 44 Zöglinge und, nachdem Hyrtl sehr religiös war, mit einer kleinen Hauskapelle. Da meinte Schöffel, er solle doch gleich eine richtige Kirche hinstellen. Nun, eine „richtige“ Kirche wie zum Beispiel die Othmarskirche wäre sich zwar finanziell ausgegangen, nur hätte es dann kein Waisenhaus gegeben. So hat sich Hyrtl für die Variante Waisenhaus mit einer kleineren Kirche entschieden. Diese beiden Bauwerke entstanden 1886 auf den Gründen des ehemaligen Mödlinger Friedhofs, des Martinsfriedhofs. Die Gemeinde Mödling unter Bürgermeister Specht ließ daneben noch eine Volksschule im gleichen, englischen Stil errichten. Ein Jahr später entstanden dann gegenüber zwei Häuser, in einem befindet sich heute die Bank Austria und im anderen das Café Grande. Dies war der Beginn der Stefaniegasse (Kronprinzessin Stefanie war bei der Einweihung der Kirche und des Waisenhauses 1886 anwesend). Das Projekt Waisenhaus wurde so gut angenommen, dass es sehr schnell ausgebaut wurde und 15 Jahre später eine große Anlage entstanden war. Begonnen von der Duursmagasse (Straßengabelung Wienerstraße - Neudorferstraße) bis knapp vor die Südbahn. Und im Süden weit über den Mödlingbach hinaus. Die heutigen Gründe der EVN, des Gymnasiums Bachgasse sowie der Fußballplatz hinter dem Restaurant Bachstub‘n gehörten alle zum Waisenhaus.  
Angedacht war ein Haus für 44 Zöglinge und, nachdem Hyrtl sehr religiös war, mit einer kleinen Hauskapelle. Da meinte Schöffel, er solle doch gleich eine richtige Kirche hinstellen. Nun, eine „richtige“ Kirche wie zum Beispiel die Othmarskirche wäre sich zwar finanziell ausgegangen, nur hätte es dann kein Waisenhaus gegeben. So hat sich Hyrtl für die Variante Waisenhaus mit einer kleineren Kirche entschieden. Diese beiden Bauwerke entstanden 1886 auf den Gründen des ehemaligen Mödlinger Friedhofs, des Martinsfriedhofs. Die Gemeinde Mödling unter Bürgermeister Specht ließ daneben noch eine Volksschule im gleichen, englischen Stil errichten. Ein Jahr später entstanden dann gegenüber zwei Häuser, in einem befindet sich heute die Bank Austria und im anderen das Café Grande. Dies war der Beginn der Stefaniegasse (Kronprinzessin Stefanie war bei der Einweihung der Kirche und des Waisenhauses 1886 anwesend). Das Projekt Waisenhaus wurde so gut angenommen, dass es sehr schnell ausgebaut wurde und 15 Jahre später eine große Anlage entstanden war. Begonnen von der Duursmagasse (Straßengabelung Wienerstraße - Neudorferstraße) bis knapp vor die Südbahn. Und im Süden weit über den Mödlingbach hinaus. Die heutigen Gründe der EVN, des Gymnasiums Bachgasse sowie der Fußballplatz hinter dem Restaurant Bachstub‘n gehörten alle zum Waisenhaus.  

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