Kanalsiedlung
Die Kanalsiedlung (Siedlung Kanalstraße) in Kennelbach war ein Bauprojekt von vierzehn Einfamilienhäusern mit maßgeblicher Eigenleistung der späteren Bewohner und wurde 1938 errichtet, um preiswerten Wohnraum für die relativ mittellosen Schichten der Bevölkerung nach dem Ende des Ersten Weltkriegs im Ortsgebiet von Kennelbach, Vorarlberg, zu schaffen.
Lage
Die Kanalsiedlung (etwa 417 m ü. A. bis 419 m ü. A.) entstand in einem über 15.000 m² großen, von Sträuchern und Laub- und Nadelwäldern bewachsenen Gelände zwischen der Bregenzerwaldbahn und dem Werkskanal am westlichen Rand des damals besiedelten Stadtgebiets. Die Wohnhäuser mit Anbau („Wirtschaftsgebäude“) wurden entlang des Werkkanals aufgereiht gebaut und die Nutzflächen befanden sich in Richtung der Bregenzerwaldbahn-Trasse.[1] Die Versorgungsstraße, Kanalstraße, wurde zwischen dem Werkkanal und den Wohnhäusern angelegt.
Zum Bahnhof Kennelbach im Südosten sind es rund 550 Meter Luftlinie. Die Trasse der Bregenzerwaldbahn grenzte im Südwesten unmittelbar an die Parzellen der Kanalsiedlung an. Das orographisch rechtsseitige Ufer der Bregenzer Ache befindet sich rund 110 bis 150 Meter von den Parzellen entfernt. Die Pfarrkirche Kennelbach bzw. der Klosterhof befinden sich im Osten rund 900 Meter entfernt.
Nach Bregenz bzw. zum nordwestlich befindlichen Bodensee sind es rund 2,3 Kilometer Luftlinie.
Hintergrund
Solche Siedlungen, teilweise auch als Arbeitersiedlungen oder zeitgenössisch auch als Arbeiterkolonien bezeichnet, wurden im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf Initiative gemeinnütziger Gesellschaften oder von Unternehmern im gesamten deutschsprachigen Raum gebaut, um preiswerten und gesunden Wohnraum für die damals noch weitgehend unbegüterten Schichten der Bevölkerung zu schaffen und die nach dem Krieg herrschende Wohnungsnot zu beseitigen. Architekten und Bautechniker begannen sich bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts, mit der Anlage von solchen Siedlungen auseinanderzusetzen, um auch den einfachen Menschen Dauerhaftigkeit und Sicherheit, zweckmäßige Raumaufteilung, unter Berücksichtigung von Licht, Luft und Vegetation, aber auch die Freizeit- und Sportmöglichkeiten, als Grundlage gesunden Wohnens zu schaffen.
Die Kanalsiedlung mit 14 Wohnhäusern ist Teil der Siedlerbewegung im deutschsprachigen Raum (siehe auch: Siedlerbewegung Wien), bei der Wohnraum für ärmere Bürger am damaligen Stadtrand errichtet wurde (daher auch Stadtrandsiedlung). In Österreich wurde der Gedanke der Siedlerbewegung u. a. vom Bundesminister für soziale Verwaltung, Josef Resch (CS und VF) übernommen, in Dornbirn z. B. vom Landtagsabgeordneten Josef Anton Fäßler (CS). Dabei wurden zur einfachen Realisierung des Projektes kostengünstige Kredite vergeben und der Baugrund z. B. von einer Gemeinde zu günstigen Konditionen bereitgestellt. In Gemeinschaftsarbeit wurden die Wohnhäuser von den späteren Eigentümern errichtet und die Baukosten dadurch niedrig gehalten. Die Wohnhäuser wurden teilweise erst nach der vollständigen Errichtung unter den späteren Eigentümern verlost, damit diese sich keinen Vorteil vor den anderen bei der Errichtung verschaffen konnten.[2]
Zur Umsetzung solcher Projekte wurden teilweise, wie für die Siedlung Birkenweise in Dornbirn, die Gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft Dornbirn (r.G.m.b.H.) Anfang August 1934 gegründet.[3][4][5] In Kennelbach wurde hierzu die Gemeinnützige Bau- und Siedlungsgenossenschaft „Mein Heim“ rGmbH gegründet.[6]
Geschichte
Kanalsiedlung
1935 berichtete der Schreiner und Gaststättenbetreiber Leo Wolf als Gemeindevertreter der Gemeinde Kennelbach anlässlich des Gemeindetags am 12. Februar 1935 von solchen „Randsiedlungsgemeinschaften“, die in anderen Gemeinden im Entstehen seien. Er regte an, dass dies auch in Kennelbach geprüft und von der Gemeinde unterstützt werden solle. Am 7. September 1936 berichtete Bürgermeister Franz Josef Sieber, dass immer wieder Bürger sich bei ihm deswegen melden würden. Es wurde eine Prüfung des Vorhabens durchgeführt. Am 1. März 1937 teilte der Bürgermeister dem Gemeindetag mit, dass für die Errichtung einer solchen Randsiedlung derzeit wenig Aussicht auf Erfolg bestünde. Nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland wurden diese Pläne wieder aufgenommen. Der Unternehmer und überzeugte Nationalsozialist Fritz Schindler, stellte dafür nun den Grund, ein völlig unerschlossenes und steiniges Gelände, kostenlos zur Verfügung.[7]
Am 7. Mai 1938 wurde das Bauansuchen der Gemeinnützigen Bau- Und Siedlungsgenossenschaft „Mein Heim“ rGmbH, vertreten durch Obmann Hermann Gasser im Beisein des Bauführers, Maurermeister August Martin und anderen, vor dem Bürgermeister in der Gemeindekanzlei verhandelt und genehmigt.[6]
Die Kanalsiedlung war das einzig größere Bauprojekt in Kennelbach, welches während der Nazi-Diktatur (in Österreich von März 1938 bis Mai 1945) durchgeführt wurde.[8]
Die Siedler mussten das Gelände von Hand zuerst mühsam roden, weil keine Baumaschinen zur Verfügung standen. Die Siedlung in Kennelbach wurde im Auftrag von Fritz Schindler von Architekt Johann Anton Tscharner geplant (wie auch das Kameradschaftshaus).
Schindlersiedlung
Auf der bisher freien Fläche zwischen der Trasse der Bregenzerwaldbahn und der Bregenzer Ache wurde beginnend ab 1950 die Schindlersiedlung errichtet. Fritz Schindler stellte jedem Bauwerber auf diesem rund 28.500 m² umfassenden Ödland 1100 m² Fläche kostenlos zur Verfügung und ließ vom Architekturbüro Liebe & Bechtold die Planung durchführen. Es wurden in der ersten Phase 21 Einfamilienhäuser errichtet. Der Spatenstich erfolgte am 16. Mai 1950 und bereits am 2. Juni 1951 wurde diese Siedlung eingeweiht.[9] Die Siedlung ist nach Fritz Schindler benannt.[10]
Erweiterungen
In weiterer Folge wurden beide Siedlungen erweitert. Auf den bisherigen Nutzflächen der Kanalsiedlung entstanden rund zehn neue Einfamilienhäuser. Ebenso wurde die Schindlersiedlung auf insgesamt rund 40 Wohnhäuser erweitert (Stand 2025). Dadurch, und durch die Auflösung der Bregenzerwaldbahn mit Abtragung der Eisenbahntrasse, wurden beide Siedlungen vereint. Zusammen mit den östlich gelegenen stark gewachsenen Anzahl an Wohngebäuden am St. Antoniusweg, den nach 1900 errichteten Waldhäusern etc. bildete sich hier auf einer Fläche von rund 15 Hektar langsam ein eigenes Quartier, das im Norden vom Werkkanal, im Süde von der Bregenzer Ache, im Osten von der Hofsteigstraße und im Westen vom Auwald (Werkswald) eingerahmt wird mit eigener Kapelle (Antonius-Kappel), Lebensmittelgeschäft, Kindergarten, Kinderspielplatz, Dorf- und Sportplatz und viel Grünfläche.
Größe der Siedlung
Die Kanalsiedlung bestand ursprünglich aus vierzehn freistehenden, früher weitgehend baugleichen Einfamilienhäusern. Die Häuser wurden teilweise mit der Schmalseite, teilweise mit der Breitseite zum Werkkanal (Schindlerkanal) gebaut. Im Laufe der Jahrzehnte wurden weitere Häuser auf den bisherigen Nutzflächen hinzugefügt und bestehende Häuser umgebaut bzw. abgerissen und neu gebaut.
Bau, Planung, Ausführung und Ausstattung
Der benötigte Baugrund wurde von der Firma Jenny & Schindler (Schindler & Cie) kostenlos abgegeben. Jeder Siedler erhielt etwa 1000 m² Baugrund sowie 1000 Reichsmark an zinslosem Darlehen für die an Jenny & Schindler Zinsen zu zahlen waren, und 1000 Reichsmark in bar.
Die Baukörper waren im Sinne der Stuttgarter Schule traditionell und einfach gestaltet und wiesen annähernd gleich große Räume auf. Die vierzehn zweigeschossigen Einfamilienhäuser bieten in den beiden Geschossen jeweils einer Familien Obdach. Gleichermaßen nach Südwesten ausgerichtete Nutzgärten verstärken den einheitlichen Eindruck des Ensembles einer Siedlung, der jedoch heute nicht mehr besteht. Durch die Größe der Grundstücke war es den Siedlern möglich, die Nutzgärten mit Getreide, Gemüse und anderem zur Eigenversorgung zu bepflanzen und Kleinvieh zu halten.
Die ursprünglichen Gebäude bestanden aus Blockwerk mit Riegelwerk mit steilem Satteldach. Im Kellergeschoß befanden sich Wasch- und Futterküche sowie ein Wirtschaftskeller. Im Erdgeschoß die Wohnküche, Schlafzimmer und ein Wohnzimmer. Das Klo, damals noch Plumpsklo, war jeweils im Wirtschaftsgebäude (einem kleinen Anbau) untergebracht, in dem sich auch ein Stall für Kleintiere, Ablagen und ein kleiner Heuboden befand. Es bestand damals noch keine Trinkwasserversorgung in Kennelbach, an welche diese Kanalsiedlung angeschlossen werden hätte können. Jedes Haus hatte daher einen eigenen Grundwasserbrunnen. Erst 1950 wurde die Siedlung an die öffentliche Trinkwasserversorgung angeschlossen.[6]
Geologie
Die Brückenbauteile befindet auf früheren Ablagerungen des Bodensees und abgesetztem Geschiebe der Bregenzer Ache.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Egon Sinz: Kennelbach, Die Geschichte einer Industriegemeinde, herausgegeben von der Gemeinde Kennelbach, Kennelbach 1987, S. 409 f.
- ↑ Für Dornbirn siehe z. B.: Werner Bundschuh, Bestandsaufnahme: Heimat Dornbirn 1850–1950, Vorarlberger Autoren Gesellschaft, Bregenz 1990, ISBN 3-900754-08-X, S. 151.
- ↑ Herbert Amann u. a., Festschrift 40 Jahre Stadtrandsiedlung Birkenwiese 1935-1975, S. 14.
- ↑ Obmann war Josef Anton Fäßler, Schriftführer Georg Maurer und Kassier Herr Natter. Diese Gesellschaft wurde im April 1941 wieder aufgelöst.
- ↑ Herbert Amann u. a., Festschrift 40 Jahre Stadtrandsiedlung Birkenwiese 1935-1975, S. 15.
- ↑ 6,0 6,1 6,2 Egon Sinz: Kennelbach, Die Geschichte einer Industriegemeinde, herausgegeben von der Gemeinde Kennelbach, Kennelbach 1987, S. 410.
- ↑ Egon Sinz: Kennelbach, Die Geschichte einer Industriegemeinde, herausgegeben von der Gemeinde Kennelbach, Kennelbach 1987, S. 408 ff.
- ↑ Egon Sinz: Kennelbach, Die Geschichte einer Industriegemeinde, herausgegeben von der Gemeinde Kennelbach, Kennelbach 1987, S. 407.
- ↑ Egon Sinz: Kennelbach, Die Geschichte einer Industriegemeinde, herausgegeben von der Gemeinde Kennelbach, Kennelbach 1987, S. 424.
- ↑ Egon Sinz: Kennelbach, Die Geschichte einer Industriegemeinde, herausgegeben von der Gemeinde Kennelbach, Kennelbach 1987, S. 443.
47.4834319.753258Koordinaten: 47° 29′ 0″ N, 9° 45′ 12″ O