Kameradschaftshaus (Kennelbach)
Das Kameradschaftshaus ist ein während der Nazi-Diktatur von der Fa. Jenny & Cie errichtetes und Adolf Hitler gewidmetes Gebäude in Kennelbach, Vorarlberg. Das Gebäude steht heute unter Denkmalschutz[1] und es befindet sich darin der Schindlersaal.
Lage
Das denkmalgeschützte Kameradschaftshaus befindet sich in dominanter und repräsentativer Lage zu Beginn des Areals des ehemaligen Textilunternehmens Jenny & Schindler (später Schindler & Cie) in Kennelbach.
Die Bregenzer Ach ist im Südwesten rund 90 Meter entfernt, die Villa Grünau im Nordnordwesten etwa 250 Meter Luftlinie, die Alberbrücke rund 450 Meter, entfernt. Der ehemalige Bahnhof Kennelbach steht im Nordwesten rund 360 Meter bzw. die Wolfurter Brücke rund 500 Meter, das Millionenloch ist rund 1300 Meter entfernt. Die Pfarrkirche Kennelbach / Friedhof Kennelbach bzw. der Klosterhof befinden sich im Nordosten rund 400 Meter entfernt. Bis zum nordwestlich gelegenen Bodensee bzw. Bregenz sind es rund 3,4 Kilometer.
Name
Der Begriff Kameradschaft war während des Nationalsozialismus eine idealisierte und offiziell angestrebte und teilweise auch zwangsweise durchzusetzen versuchte, fiktive Form des Zusammenlebens auf vielen Ebenen des Staates und in Betrieben.
Ursprünglich war die Forderung der lokalen NSDAP-Funktionäre, dass in Kennelbach nach dem Anschluss Österreichs an die Nazi-Diktatur in Deutschland ein „Hitlerheim“ gebaut werden müsse. Warum das dann tatsächlich gebaute Kameradschaftshaus nicht den Namen „Hitlerheim“ bekam, ist nicht bekannt. Dies ist insbesondere auch deswegen ungewöhnlich, weil der Bauherr, der Unternehmer Fritz Schindler, ein langjähriger NSDAP-Parteiangehöriger war, der auch schon während des Verbots der Partei in Österreich dieser angehörte.[2]
Geschichte
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Kennelbach, wurde in der Sitzung des Gemeindebeirates vom 17. Juni 1938 unter anderem gefordert, dass ein „Hitlerheim“ gebaut werden müsse. Der ehemalige Bürgermeister des Gemeinderates und Vorsitzende des nunmehrigen Gemeindebeirates, Franz Josef Sieber, berichtete, dass sich Fritz Schindler, Miteigentümer der Fa. Textilwerke Schindler & Cie, bereit erklärt habe, ein solches Haus auf eigene Kosten zu bauen. Schlussendlich wurde zwar kein „Hitlerheim“ gebaut, sondern 1939 das Kameradschaftshaus auf dem Areal der Fa. Schindler & Cie. Dieses wurde von Schindler & Cie den NSDAP-Parteiformationen und der Hitlerjugend zur Verfügung gestellt.[3]
Es wurde von Architekt Johann Anton Tscharner geplant (wie auch die Kanalsiedlung Nr. 138–141 in Kennelbach). Die Grundsteinlegung fand am 16. Juli 1938 statt und wurde von Juli 1938 bis Mai 1939 erbaut. Es wurde am 13. Mai 1939 feierlich übergeben. Das Vorarlberger Tagblatt berichtete am, 15. Mai 1939, dass dies das erste Kameradschaftshaus der Ostmark sei.[4]
Von 1939 bis 1945 stand auf der Frontseite des Hauses die Inschrift: „Dieses Haus ist dem Weisen der Neuzeit, dem Führer des Deutschen Volkes, Adolf Hitler, gewidmet“.[5] Auf der Rückseite des Hauses befindet sich bis heute die Inschrift in Fraktur: „J. Av. Tscharner Architekt - Kameradschaftshaus ••• Haus der Textilwerke Schindler • • Kennelbach erbaut •• anno domini •• 1•9•3•9“
Während des Krieges wurden bei Schindler & Cie auch über 60 Zwangsarbeiterinnen aus Osteuropa eingesetzt. Diese waren im oberen Stockwerk des Kameradschaftshauses untergebracht, mussten hohe Kosten für Unterkunft und Verpflegung bezahlen und wurden von der einheimischen Bevölkerung weitgehend isoliert.[6]
Im Kameradschaftshaus befand sich ein Saal für Veranstaltungen, eine Betriebsküche, notwendige Nebenräume, eine (wenig genutzte) kleine Bibliothek etc. Im Untergeschoß befand sich ein Luftschutzkeller und wurde auch ein öffentliches Bad installiert. Dieses stand mit dem am 8. Februar 1915 eingerichteten Volksbad der Gemeinde in Konkurrenz, weil dieses besser und moderner ausgestattet war und Betriebsangehörige diese Bad im Kameradschaftshaus kostenlos nutzen konnten.[7] Während des Zweiten Weltkriegs fanden im Kameradschaftshaus vor allem die Betriebsappelle und NSDAP-Veranstaltungen statt und nur zu Beginn des Krieges noch gesellige Veranstaltungen.[5]
Ab 1969 wurde das Kameradschaftshaus von der Gemeinde Kennelbach angemietet und werden darin Veranstaltungen durchgeführt bzw. angeboten. Im Untergeschoss sind Vereinslokale. Heute hat das Kameradschaftshaus an der Vorderseite in Fraktur die Bezeichnung: Schindlersaal.
1976 errichtet die Interessengemeinschaft Schießkeller Kennelbach (IGSK) im ehemaligen Luftschutzkeller im Kameradschaftshaus einen Schießstand ein.[8]
Gebäude
Das dreistöckige Gebäude mit ausgebautem Dachgeschoss hat einen unregelmäßigen polygonen Grundriss und etwa eine Länge von 33 und eine Breite von 23 Meter. Das mit roten Ziegeln eingedeckte und steile Satteldach hat an der Vorderfront fünf, an der Rückseite vier und an den beiden Schmalseiten je zwei Gaupen.
Auf der Rückseite befindet sich ein kleiner vierstöckiger Turm mit Kupferhelm, Turmspitze, Turmkugel und Wetterfahne. Dieser Turm ist mit der fünften Gaupe an das Gebäude angebunden. An der Vorderseite befindet sich ein später hinzugefügter und das gesamte Erscheinungsbild störender schlichter rechteckiger Liftturm mit Flachdach.
Das Gebäude ist über zwei Trakte mit dem sechsstöckigen Hauptgebäude (ehemalige Spinnerei) des Schindler Areals verbunden.
Schwimmbad
In der Nähe des Kameradschaftshauses wurde auch von Schindler & Cie ein öffentliches beheizbares Schwimmbad gebaut. Der Spatenstich erfolgte am 16. Juli 1938 und am 2. Mai 1940 die feierliche Eröffnung. Das Schwimmbad konnte von betriebseigenen als betriebsfremden Personen benutzt werden. Nach dem Krieg wurde es zugeschüttet und darüber später Parkplätze für die Fa. Head Sport GmbH errichtet.[9]
Weblinks
Kameradschaftshaus (Kennelbach) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons
Einzelnachweise
- ↑ Kameradschafts- und Badehaus mit Schindlersaal, HERIS-ID: 26444, Objekt-ID: 22919.
- ↑ Egon Sinz: Kennelbach, Die Geschichte einer Industriegemeinde, herausgegeben von der Gemeinde Kennelbach, Kennelbach 1987, S. 375, 390 ff.
- ↑ Egon Sinz: Kennelbach, Die Geschichte einer Industriegemeinde, herausgegeben von der Gemeinde Kennelbach, Kennelbach 1987, S. 375
- ↑ Egon Sinz: Kennelbach, Die Geschichte einer Industriegemeinde, herausgegeben von der Gemeinde Kennelbach, Kennelbach 1987, S. 398 ff.
- ↑ 5,0 5,1 Egon Sinz: Kennelbach, Die Geschichte einer Industriegemeinde, herausgegeben von der Gemeinde Kennelbach, Kennelbach 1987, S. 401 ff.
- ↑ Egon Sinz: Kennelbach, Die Geschichte einer Industriegemeinde, herausgegeben von der Gemeinde Kennelbach, Kennelbach 1987, S. 407.
- ↑ Egon Sinz: Kennelbach, Die Geschichte einer Industriegemeinde, herausgegeben von der Gemeinde Kennelbach, Kennelbach 1987, S. 347 ff, 398f, 402.
- ↑ Geschichte, Webseite: igsk.at, abgerufen am 27. April 2025.
- ↑ Egon Sinz: Kennelbach, Die Geschichte einer Industriegemeinde, herausgegeben von der Gemeinde Kennelbach, Kennelbach 1987, S. 347 ff, 398f, 403 f.
47.4773219.763661Koordinaten: 47° 28′ 38″ N, 9° 45′ 49″ O